»Unser Sohn geht in einen Kindergarten einer Eltern-Kind-Initiative von wohlhabenden Akademikerfamilien. Dank des Engagements einiger Mütter bekommen wir immer wieder großzügige Spenden, etwa hochwertige Instrumente von einem Musikfachgeschäft. Ist es in Ordnung, die Spenden anzunehmen, wenn man weiß, dass es viele Einrichtungen mit Kindern aus weniger begüterten Familien gibt, die sich diese Dinge nicht leisten können?« Maria L., Berlin
Mir scheint, man muss zwei mögliche Konstellationen unterscheiden. Die eine wäre: Die Unternehmen engagieren sich ohnehin sozial, und den Müttern gelingt es, diese Spenden, die es so oder so gäbe, für Ihren Kindergarten zu akquirieren. Sie würden also einen vorhandenen Spendenstrom anzapfen und in Ihren Kindergarten leiten – notgedrungen auf Kosten anderer Einrichtungen, die solche Spenden vielleicht dringender bräuchten. Man kann sich das bildlich vorstellen wie in einer Szene von Charles Dickens: Ein Wagen, voll beladen mit Spielsachen, ist auf dem Weg zu einer Gruppe von zerlumpt gekleideten Kindern in einer ärmlichen Hütte, als plötzlich Mütter aus einer opulenten Villa auf die Straße treten, den Wagen heranwinken und entladen, während die Kinder aus dem kleinen Haus mit großen sehnsüchtigen Augen zusehen müssen. Was davon zu halten ist, liegt auf der Hand.
Wie aber steht es, wenn es ohne den Einsatz der Mütter gar keine Spenden gäbe? Also kein Kind, egal ob arm oder reich, etwas geschenkt bekäme? Dann wäre es doch, könnte man meinen, besser, wenn wenigstens ein paar Kinder etwas bekommen, als gar keine. Und dass das die Kinder der Mütter sind, die den Einsatz erbringen, scheint auch naheliegend. Nur wie sieht die Dickens’sche Szene in diesem Fall aus? Wieder werden Spielsachen in das reiche Haus getragen, während die armen Kinder leer ausgehen. Sie warten zwar nicht auf den Wagen, aber das Ergebnis bleibt das gleiche: Sie haben nichts, während in der großen Villa genug da ist.
Und nun verzeihen Sie mir vielleicht sogar dieses etwas platte Bild. Es soll lediglich helfen, den Automatismus »Wenn es für Kinder ist, dann ist es moralisch hochstehend« zu durchbrechen. Kinder sind prinzipiell bedürftig, weil sie sich nicht selbst versorgen und schützen können. Das gilt für alle Kinder und im Vergleich zu Erwachsenen. Im Vergleich mit anderen Kindern jedoch sind nicht alle Kinder gleich bedürftig, da gibt es sehr wohl Unterschiede. Wenn nun Spenden an Kinder gehen, die weniger bedürftig sind, werden diese Unterschiede – für die die Kinder nichts können – durch die Spenden verstärkt statt vermindert. Das aber ist kontraproduktiv, um nicht zu sagen asozial, sogar antisozial, deshalb sind die Spenden auch in diesem Fall fehlgeleitet.
Illustration: Serge Bloch