Gerne

Im Dienstleistungssektor hat das Gerne das Bitte abgelöst. Doch das ist nur auf den ersten Blick begrüßenswert.

Was genau hat es zu bedeuten, dass die Kellner im Restaurant oder die Hostessen auf der Messe nicht mehr »Bitte« sagen, nachdem man sich bedankt hat, sondern »Gerne«? Die erste Silbe eine Terz höher ausgesprochen als die zweite, verkünden sie mit freundlicher, selbstgewisser Stimme, dass sie die Dienstleistung nicht nur verlässlich, sondern auch mit Vergnügen ausgeführt haben. Die Coaches und Motivationstrainer, deren Mitarbeiterschulungen diese Wendung wohl in die Welt getragen haben, verbinden mit dem Wort einen Zuwachs an Höflichkeit; in erster Linie aber soll es dem Gast oder Kunden gegenüber für ein neues Verständnis von Dienstleistung sorgen. Mit jedem »Gerne« bekennen sich die Angestellten zu ihrer Arbeit, sind eins mit ihr, sie geben zu erkennen, dass sie ihre Pflicht mit Lust erfüllen.

Kurz vor dem endgültigen Verschwinden des »Bitte« lohnt es sich vielleicht, noch einmal über dieses Wort nachzudenken. Es ist der zweite Teil eines kurzen Dialogs, allein auf die Erwiderung des Danks gerichtet. Im Neutralen, Formelhaften des Ausdrucks steckt eine wohltuende Beiläufigkeit; es geht um nichts anderes als ein höfliches Ritual. Das »Bitte« als Antwort wahrt auch die Gewichtung der beiden Äußerungen: Denn der Dankesbezeugung kommt natürlich die aktive, bestimmende Rolle zu; die Erwiderung ist eher Reflex, ein kurzes Zurückspielen. »Gerne« dagegen verletzt sowohl das Rituelle als auch die Gewichtung des Dialogs, indem es das Innenleben des Sprechers zum Thema macht. Doch die Auskunft, mit welchem Grad an Freude die Arbeit getan wurde, überschreitet die Grenzen dieses Austauschs, überflutet sie regelrecht.
Vielleicht würde einen das ständige »Gerne« aus dem Munde von Rezeptionistinnen, Bankangestellten und Callcenter-Mitarbeitern gar nicht stören, wenn man nur häufiger das Gefühl hätte, dass es wirklich ehrlich gemeint ist. Doch mit jedem Restaurantbesuch und Hotelaufenthalt erhärtet sich der Verdacht, dass die Antwort umso weniger von Herzen kommt, je emphatischer und singender sie erklingt. Bei den schauspielerisch weniger Begabten wird förmlich ein Riss sichtbar: zwischen der eigentlichen Unlust am Job und dem von den Vorgesetzten eingetrichterten Festhalten an dieser Wendung. War der Vorteil am neutralen »Bitte« noch, dass es wie ein Automatismus aus dem Mund kam, schafft das »Gerne« sofort eine Verbindung zur Person. Und im unablässigen Betonen, wie sehr man in der Arbeit aufgeht, entsteht schließlich der gegenteilige Effekt: Das Wort bringt genau jene Entfremdung zum Vorschein, die man eigentlich überwinden wollte. Die Menschen tun nicht gerne, was sie »gerne« tun.

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