Es spricht sicherlich nicht für mich als Mutter, dass ich »alkohol übrig kochen pernod« zum ersten Mal googelte, als mein Kind schon acht Jahre war. Immerhin hatte es da schon jahrelang mit mir Risotto mit Weißwein und Bolognese mit Rotwein gegessen. Ich googelte jetzt so, weil ich eine trockene Alkoholikerin bekochen wollte. Aber ich fürchte, es spricht nicht für mich als Gastgeberin, dass mich die Antwort auf meine Suchanfrage dann schon gar nicht mehr so sehr interessierte wie die Tatsache, dass Google einfach genau wusste, was ich will. Und das, obwohl meine Suchanfragen seit einiger Zeit den Namen gar nicht mehr verdienen. Ich bin im Alltag mittlerweile eine dumm-dreiste Googlerin geworden. Ein paar Wochen noch, und ich google die Uhrzeit.
Ich gebe mir überhaupt keine Mühe mehr, die Dinge, die ich wissen will, irgendwie zu abstrahieren. Aus Faulheit. Aus Arroganz vielleicht. Ja, weil ich glaube, kapiert zu haben, dass die unkomplizierteste Anfrage am besten funktioniert. Ich hätte ja auch »Verdampfung von Alkohol beim Erhitzen« googeln können. Aber da hätte ich Sorge, dass was Physikalisches rauskommt. Dass ich dann womöglich noch angehalten werde, meinen Spezialfall auszurechnen, dass am Ende mehr Gegenfragen als Antworten auftauchen: Wie hoch ist der Alkoholgehalt? Wie hoch die Erhitzung? Wie lange war der Alkohol dieser Hitze ausgesetzt? In einem offenen oder einem verschlossenen Gefäß? War dem Alkohol etwas beigefügt, Wasser, festes Aggregrat? In welchem Mischungsverhältnis?
Der KI mag es egal sein, aber manchmal mache ich mir Sorgen um mein Gehirn
Das will ich ja alles nicht. Stattdessen gebe ich halt »alkohol übrig kochen pernod« ein, und es ist Google klar, was ich meine, nämlich: Bleibt nach dem Kochen, etwa von dem Anisée Pernod, noch Alkohol im Fenchelgericht übrig? (Antwort: Ja.)
Der KI mag es egal sein, aber manchmal mache ich mir Sorgen um mein Gehirn. Wenn ich mich an etwas erinnern will, denke ich stattdessen direkt in Suchanfragen: »wie viel stimmen Wegner wahlgang«. Oder: »unterschied pils lager«. Oder: »standard«. Oder: »putin rede bundestag«. Will ich wissen, wie man diese Frau mit dem ungewöhnlichen Namen richtig schreibt, google ich einfach direkt: »freundin tom holland«. Noch bevor ich überhaupt nur versucht habe, selbst daraufzukommen.
Früher konnte ich das mal: innehalten, nachdenken, es wieder hervorkramen, kleinen Blitzen folgen: Wann, in welcher Situation, mit wem, zu welchem Anlass habe ich davon erfahren, darüber gesprochen, wem zugehört? Und dadurch Rückschlüsse ziehen auf die gesuchte Info. »Draufkommen« ist ja das Ergebnis von Überlegen: von allen Seiten überlegerisch angreifen, dranbleiben, die Sache im Kopf eine Weile ganz festhalten, bis irgendeine Synapse sich erbarmt und die Verbindung wieder aufbaut, es funkt kurz, voilà: Jetzt hab ich’s! Neulich, als ich googelte, was am Auge noch mal Pupille und was Iris ist, fragte mich mein Kind, was ich überhaupt selber wisse. Und das wusste ich selbst nicht so genau.
Ich gucke ja sogar Sachen nach, die ich sicher weiß: nämlich was eine Pupille ist und was eine Iris. Oder wie man Standard schreibt. Aber ich mute meinem Hirn den Prozess nicht zu oder misstraue dem Ergebnis. Ich habe ja nicht nur ein Wörterbuch, ein Lexikon, Kochbücher, das Telefonbuch und die Gelben Seiten sowie meine Mutter (»kartoffeln knospen giftig«) an Google ausgelagert. Sondern gelegentlich auch meine Lebenserfahrung und Intuition: »Liebeskummer wie lange normal«. Oder – und jetzt Achtung: »22 grad wie warm«. Ja, ganz genau, ich habe eine Sinneserfahrung gegoogelt. Ich weiß nicht mal, was ich gehofft hatte herauszubekommen. Vielleicht ob ich abends eine Jacke brauche? Wenn die Maschinen irgendwann die Weltherrschaft übernehmen, kann ich mir sicher sein, dass ich sie dazu ermutigt habe.