Tee aus dem Trendlabor

Ein guter Pilz braucht vierzehn Tage – und einen guten Pilz braucht man, um Kombucha zuzubereiten: Woher kommt der Wunsch, mit einem Getränk möglichst viel Arbeit zu haben?

Foto: Maurizio Di Iorio

Auf einer Party stand ich vor einiger Zeit mit zwei jungen Frauen zusammen, die sich angeregt über »ihn« unterhielten. Wo man ihn beschaffe, wie man ihn behandle und ob man zu viel von ihm bekommen könne. Ich merkte mit der Zeit, es ging um einen Pilz. Den man braucht, um ein Getränk namens Kombucha herzustellen.

Die Party fand in Berlin-Mitte statt, dem Trendlabor der Bundesrepublik. Labor ist hier das richtige Stichwort, denn es geht um lebende Mikroorganismen, Hefen und Bakterien, die man in gezuckertem Tee fermentieren lässt. Das ist gerade das Ding der Stunde. Bars setzen Drinks aus Kombucha an, Start-ups verkaufen Kulturen zum Selbermachen. Glaubt man den Video-Tutorials im Internet, soll Kombucha auch gegen Allergien helfen und den Darm reinigen. Wissenschaftliche Nachweise gibt es dafür nicht, aber die ersten Craft-Brauereien stellen bereits Kombucha her.

Ich bin sehr anfällig für Neues und kann mich Trends aus Berlin-Mitte schwer entziehen. Ich bestellte also bei einer der Internetadressen, die mir die beiden Frauen auf der ­Party nannten, ein Starter-Kit zum Kombuchamachen. Ich bekam ein Säckchen mit teebrauner Flüssigkeit und einer schwabbeligen Scheibe darin. Dazu ein Handbuch, in dem stand, was ich nun tun müsse. Erst schwarzen oder grünen Tee kochen, zuckern, abkühlen lassen und dann den Kombuchapilz, also die schwabbelige Scheibe, dazugeben. Das Ganze gut abgedeckt an einem Ort, an dem mindestens 21 Grad herrschen, zwei Wochen lang gären lassen. Den fertigen Kombucha kalt stellen und mit dem Pilz neuen ansetzen. Ich las, dass der Kombucha-Pilz kein direktes Sonnen­licht möge und sauer schmecke, wenn man ihn zu lange stehen lässt. Und: »Wenn Sie Ihren neuen Freund gut behandeln, kann er Sie ein ganzes Leben lang begleiten.«

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Nach drei Wochen mit meinem neuen Freund verstehe ich die Schwärmerei. Dass man in einer Zeit, in der Lebensmittel meistens industriell verarbeitet, pasteurisiert oder ultrahocherhitzt werden, die Dinge so nehmen will, wie sie sind. Als Organismen, die sich verändern und mit denen man selbst Nahrung verändern kann. So wie es die skandinavische Küche seit einigen Jahren vormacht, die Heringe vergären lässt, Stachelbeeren monatelang in Salz fermentiert oder Graupen mit Schimmelsporen impft. Die den Verfall von Nahrung nicht bekämpft, sondern als Teil der Nahrungskette begreift. Trotzdem muss ich Kombucha hier als das bezeichnen, was es ist: einen Schleimpfropf, der aussieht wie ein Teil der Monster, gegen die Sigourney Weaver in Alien kämpfte. In einer braunen Suppe, die auf Heizkörpern herumsteht und nach einer Mischung aus abgestandenem Cidre und Essig schmeckt.

Mich erinnert das an diesen Sauerteig, den Öko-Eltern früher zu Hause hatten. Man bekam ihn von Freunden geschenkt, ließ ihn vor sich hingären und gab immer wieder Mehl dazu, um ihn größer zu machen und einen Batzen davon weiterzuverschenken, das war ein Trend in der Friedensbewegung. Chemisch gesehen war der Teig ein Verwandter des Kombucha-Pilzes, und die Leute haben ähnlich über ihn geredet. Dass man ihn »füttern« müsse und nicht länger allein lassen dürfe. Er hatte sogar einen Namen. Der Teig hieß Hermann, und ich glaube, niemand hat je davon gegessen.