Die Frau des dicken Mannes

Der Mann unserer Leserin möchte abnehmen. Sie macht mit und verliert einige Kilos, obwohl sie das eigentlich nicht möchte. Sollte sie aus Solidarität trotzdem weiter hungern?

Illustratration: Serge Bloch

»Mein Mann und ich arbeiten seit zwei Jahren im Homeoffice. Pandemiebedingt haben wir uns körperlich weit weniger als zuvor betätigt. Während ich von Natur aus sehr schlank bin und nicht zugelegt habe, hat mein Mann sich leider etwas Bauch angefuttert. Nun will er die zweistelligen Zusatzkilos wieder loswerden. Allerdings hat er stillschweigend unterstellt, dass ich an seiner kalorienarmen Kost teilnehme. Nun habe ich dank Gemüsesuppe & Co. unfreiwillig mehr als drei Kilo abgenommen. Wäre es unfair, wenn ich mich offiziell aus seinem Essensplan ausklinke?« Yvonne M., München

Sie sind bei mir an der völlig falschen Adresse gelandet, ich zucke ja schon zusammen, wenn Sie sagen: »Wir«. Ich kann dieser Haltung nichts abgewinnen, diesem »Ich friere, ziehen wir uns einen Pullover an«. Ich bin aber auch jemand, den Sie garantiert als schwer beziehungsgestört einstufen würden, ich kriege schon das Grausen, wenn ich nur sehe, wie ein Paar einträchtig nebeneinander seine Yogamatten entrollt.

Aber eventuell sind Sie bei mir ja auch ganz genau an der richtigen Adresse, denn ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie angenommen haben, mein Rat könnte ­irgendwie anders lauten als: Um Gottes willen, klinken Sie sich unbedingt aus seinem Essensplan aus! Denn Sie haben ja nicht zugenommen, warum also sollten Sie nun abnehmen? Und was hätte denn Ihr Mann davon? Oder zählt er Ihrer beiden Gewichte als eines (»Liebling, wir wiegen zu viel«)? Dann und nur dann hätte er tatsächlich etwas davon. Wenn er Sie nämlich zusammengenommen als ein Diät-Team ansieht, hätte er, so wie bei Ihnen die Pfunde purzeln, natürlich einen schnelleren Abnehmerfolg. Aber so denkt er ja nicht. Sie stellen sich ja morgens nicht zusammen auf die Waage. (Oder?) Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie Ihre Frage in der Hoffnung stellen, hier eine ganz bestimmte Antwort zu bekommen, die Sie sich nicht selber zu geben trauen, weil Sie ein wahnsinnig netter Mensch sind und Ihren Mann nicht hängen lassen wollen. Es würde Sie also erleichtern, wenn Ihnen eine außenstehende Person zu Ihrer eigenen Haltung rät. Diese Hoffnung erfülle ich gerne, ich möchte sie sogar übererfüllen: Nicht nur wäre es überhaupt nicht unfair, wenn Sie sich offiziell aus dem ­Essensplan Ihres Mannes ausklinken, es käme ihm sogar zugute. Denn wenn es seiner Frau gut geht, wird ihn das freuen.