Wie geht es Ihnen, Ai Weiwei?

Kaution gezahlt, trotz Verbot geredet, ständig verfolgt: Vor einer Woche wussten wir nicht, wie es mit Chinas berühmtestem Dissidenten weitergeht. Er selber auch nicht. Trotzdem hat uns Ai Weiwei seine Lebenslage erklärt – in Bildern.

Auf diesen Mann schaut die Welt. Und vielleicht ist das Ai Weiweis größtes Glück. Lange ist es her, dass ein zeitgenössischer Künstler von Weltrang politisch solche Wellen schlug. Berühmt wurde er mit Installationen, Bildern und Skulpturen, in denen er sich immer wieder kritisch mit der chinesischen Lebenswelt auseinandersetzt. Doch es ist sein Kampf gegen die staatliche Willkür, der die Menschen weltweit bewegt. Als er im April dieses Jahres ohne Angabe von Gründen in Peking in Haft genommen wurde, schickten sogar Staatschefs und Außenminister Solidaritäts- und Empörungsadressen. Nach 81 Tagen kam Ai Weiwei unter strengen Auflagen frei. Doch nun drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft. Seine Firma »Bejing Fake Cultural Development Ltd« soll Steuern hinterzogen haben, so die Anklage.

Juristisch gesehen geht es um 15 Millionen Yuan (rund 1,7 Mio. Euro) Steuernachzahlung, die die chinesischen Behörden bis zum 16. November eingefordert hatten. Ai Weiwei lässt keinen Zweifel daran, dass er diesen Strafbefehl nur als weiteren Versuch betrachtet, ihn mundtot zu machen. Das ganze Verfahren sei politisch motiviert, sagt der 54-Jährige, dem dieser nun schon Monate andauernde Nervenkrieg sichtlich zusetzt: »Es ist, als würde man ganz allein gegen eine Mannschaft Fußball spielen.«

Noch wehrt er sich. Und der Zuspruch, den er dabei von seinen Landsleuten bekommt, zeigt, dass diese Angelegenheit keine Privatsache mehr ist, sondern längst eine gesellschaftliche Dimension angenommen hat. Die 970 000 Euro, die er letzte Woche auf ein Sperrkonto überwies – nicht als Anzahlung, sondern als Pfand, um Zeit zu gewinnen für ein Revisionsverfahren –, waren binnen weniger Tage von Spendern zusammengetragen worden. Sogar die Bundesregierung hat symbolische hundert Euro beigesteuert.

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Weitere 30 000 Unterstützer, vornehmlich Chinesen, hatten Geld überwiesen, per Post geschickt oder zerknüllte Geldscheine auf sein Grundstück geworfen. Und damit den zynischen Vorwurf der Behörden widerlegt, er hätte als öffentliche Figur keinen Rückhalt in der chinesischen Bevölkerung. Die Spendenaktion seiner Landsleute hat ihn berührt: »Wir beginnen langsam eine Zivilgesellschaft zu werden.« Die Spenden, hat Ai Weiwei versichert, will er bald zurückzahlen. Nicht nur, weil er eigentlich als gut verdienender Künstler gilt, sondern um nicht auch noch des illegalen Spendensammelns angeklagt zu werden.

Derweil geht Ai Weiwei in die Offensive, gibt Interviews, stellt Videobotschaften und Anklageschriften ins Internet. Er weiß, dass ihm nur die Flucht nach vorn bleibt, auch wenn er dabei riskiert, wieder verhaftet zu werden. Er muss im Gespräch bleiben, er braucht die Weltöffentlichkeit. Seine Prominenz ist das größte Faustpfand, das er hat. Auch deshalb hat er dem SZ-Magazin ungewöhnliche Einblicke in seine Gemütslage gewährt.

Rund zwei Monate hat Ai Weiwei nun Zeit, den Steuerbescheid anzufechten. Doch seine Chancen für das Verfahren stehen nicht gut. Wichtige Unterlagen seiner Firma, die Ai Weiwei entlasten könnten, sind in den Händen der Polizei. Er könnte also die 1,7 Millionen Euro einfach bezahlen. Es würde ihm wahrscheinlich nicht wehtun. Dann hätte er vielleicht seine Ruhe. Doch Ruhe ist das Letzte, was dieser große Künstler im Sinn hat.