Land der Bastarde

Bastarde, das klingt erstmal abwertend. Die »Baster«, eine Volksgruppe in Namibia, nennen sich allerdings selbst so. Die Fotografin Julia Runge hat die wilhelminischen Wurzeln der Baster und ihre Haltung zur deutschen Kolonial-Vergangenheit untersucht.

Name: Julia Runge
Alter: 03.07.1990
Wohnort: Berlin
Website: juliarunge.com
Ausbildung: Fotografie-Studium an der Ostkreuzschule, Berlin

SZ-Magazin: Übersetzt heißt Ihr Projekt »Land der Bastarde«. Sind die Menschen, die Sie porträtiert haben, mit diesem Titel einverstanden?
Julia Runge: Der Name »Baster« mag tatsächlich ein wenig abwertend wirken. Doch die Baster-Gemeinde, die aus 30 000 Mitgliedern besteht, hat ihn sich selbst mit Stolz gegeben – als Erinnerung an ihre Herkunft und auch als eine Art verbindende Gruppenidentität. Die Mitglieder dieser Volksgruppe sind ursprünglich eben aus unehelichen Verbindungen von weißen Männern und schwarzen Frauen entstanden. Angefangen hat das in der Kap-Region, als europäische Siedler ins südliche Afrika gekommen sind. Viele der einheimischen Frauen waren bei ihnen angestellt, oft sind dann Kinder entstanden. Die Apartheid verbot allerdings Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen. Die Baster standen dadurch zwischen den Fronten: Von den Einheimischen wurden sie als Verräter angesehen, die Weißen akzeptierten sie nicht als Gleichgestellte. Sie wurden ausgegrenzt und sind schon Mitte des 19. Jahrhunderts von der Kap-Region ins heutige Namibia gezogen, wo Ende des 19. Jahrhunderts dann eine deutsche Kolonie entstand.

Was für eine Rolle spielt die deutsche Kolonialvergangenheit heute noch für die Baster?
Viele Baster haben detaillierte Ahnenforschung betrieben und wissen genau, wer ihre deutschen Vorväter waren. Sie waren schockiert, als ich ihnen dann erzählt habe, wie wenig die Kolonialvergangenheit in Deutschland heute noch von Bedeutung ist, wie wenig darüber gesprochen wird. Das hängt ihnen nach und beschäftigt sie immer noch. Ansonsten erinnern eigentlich nur noch die Namen an diese Zeit. Es werden Kinder immer noch »Wilhelm« oder »Wilhelmine« getauft.
Können Sie die Kultur der Baster beschreiben?
Die Baster sind Stolz auf ihre Geschichte und Traditionen und halten eng zusammen, wenn es um den Schutz Ihrer Gemeinschaft geht. Für Außenstehende mag das vielleicht konservativ wirken, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich wurde als Außenstehende von Anfang an wie eine ihrer Töchter behandelt. Besonders an der traditionellen Kleidung, die so schon vor über 100 Jahren getragen wurde, sieht man, dass Heimat und Herkunft für sie zentral sind. Die Kleidung ist ein Relikte aus der Kolonialzeit. Die Farben Rot, Schwarz und Weiß spielen dabei eine große Rolle, es sind die Flaggenfarben des Basterlandes.  

Wie werden die Baster in Namibia akzeptiert?

Andere Volksgruppen als die Herero oder die Nama haben eigentlich alle einen rechtlichen Sonderstatus. Die Baster dagegen werden nicht als eigene ethnische Gruppe akzeptiert, da sie laut der Regierung ja weiß und schwarz sind. Die Regierung setzt alles daran, aus den verschiedenen ethnischen Gruppen des Landes eine zu machen – die »Namibianer«. Die Baster wollen in diesem Schmelztiegel aber nicht ihr kulturelles Erbe verlieren.

Die deutsche und die namibische Regierung verhandeln bereits seit 2014 über die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen. Wie stehen die Baster dazu?

Anders als an den Herero und den Nama gab es an den Bastern keinen Genozid. Anfänglich hatten sie sogar einen Schutz- und Freundschaftsvertrag mit den deutschen Kolonialtruppen, allerdings mit der Klausel, dass sie niemals gegen südafrikanische Truppen kämpfen, da sie ja ursprünglich von dort kamen. Als das dann doch im Raum stand, weigerten sich die Baster, woraufhin ihr damaliges Oberhaupt und seine gesamte Familie ermordet wurde und es im Mai 1915 bei Sam-Khubis zu einer Schlacht mit zahlreichen Toten kam. Heute geht es den Bastern weniger um Entschädigungszahlungen als um mehr Interesse an ihrer Geschichte, auch von Seiten der Bundesrepublik. Dieses fehlende Bewusstsein war auch für mich der Grund, warum ich dieses Projekt angestoßen habe. Obwohl die Deutschen eigentlich gut darin sind, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten, ist die Kolonialvergangenheit bis heute ein blinder Fleck.

Fotos: Julia Runge