Downsizing in Downing Street

Die neue First Lady von Großbritannien Akshata Murty ist reicher als King Charles – wird aber schief angeguckt, wenn sie teure Kleidung trägt. Nun zeigt sie sich in H&M und Haus-Schlappen.

Fotos: H&M, Getty Images, White Company

Cherie, Samantha, Theresa, Carrie, Liz und jetzt Akshata: Es hat auch sein Gutes, dass die Bewohnerinnen der Downing Street in den vergangenen Jahren so häufig gewechselt haben, egal ob nun als First Lady oder als Premier. Die einzelnen Protagonistinnen sind einem noch viel präsenter und sechs illustre Damen innerhalb von nur 15 Jahren bieten deutlich mehr Vergleichsmöglichkeiten als, sagen wir, drei Legislaturperioden mit einem einzigen, in der Freizeit Funktionsjacken tragenden First Husband in Person von Joachim Sauer. All diese Fashion Crimes von Cherie Blair! Theresa May und ihre schrullige Schwäche für Leoparden-Pumps! Als wäre es gestern gewesen. Okay, seit May sind tatsächlich nur gut drei Jahre vergangen, aber inzwischen ist ja schon wieder so viel passiert. Auf der Insel ist man Äußerlichkeiten durchaus zugetan, jedes Outfit wurde und wird haarklein dokumentiert. Die jeweilige Marke sowie den entsprechenden Pfundpreis gleich mitzuermitteln, gehört bei der britischen Presse zur knallharten Investigativrecherche.

Als die frischgebackene First Lady Akshata Murty am Wochenende fotografiert wurde, wie sie den Umzug in ihr neues, altes Zuhause Downing Street Number 10 überwachte – sie und Rishi Sunak wohnten schon zu seiner Zeit als Schatzmeister dort – wusste die Times daher sofort, was sie da trug: eine schwarze Kunstfellweste von H&M (50 Pfund) und weiße »Sliders« (eine Art Hausschlappe) von White Company (42 Pfund) zu grauen Leggings (tbd). Eigentlich einem Umzug angemessen unspektakulär – wäre Murty nicht gleichzeitig eine der reichsten Frauen des Landes, die sonst gern Gucci und Valentino anhat; oder was man halt sonst so trägt, wenn allein das Aktienpaket an der Software-Firma des Vaters eine halbe Milliarde wert ist. »Slobby Chic!« titelte die Daily Mail nicht ohne Wohlwollen, statt Designerlabels zeige sie nun »ihre Liebe zur High Street«. (Dass ein alter Hermès-Look zehnmal nachhaltiger wäre, interessiert offensichtlich niemanden mehr.)

Will Murty also plakativ bescheiden in ihre neue Rolle schlüpfen? PR-technisch wäre das nicht das schlechteste. Als herauskam, dass sie Dank des sogenannten »non-dom Status« in ihrer Wahlheimat England kaum Steuern zahlt, sorgte das zu Recht für Unmut. Ihr Mann wurde ordentlich gegrillt, als er beim Besuch einer Baustelle einmal Prada-Schuhe im Wert von 490 Pfund trug. Auch ihr Auftritt am ersten Ausgehabend nach dem Lockdown in einem Lederensemble von Red Valentino und Gucci-Sneakern kam nicht gut an. Aber zumindest hier könnte man kurz mal fragen: Warum eigentlich nicht?

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Die 42-Jährige und ihr Mann sind bekanntlich reicher als König Charles. Sie liebt Mode, nach ihrem MBA in Stanford gründete sie sogar ihr eigenes Fashionlabel mit indischen Designs. In ihrem Schrank dürfte also noch das ein oder andere nicht mit Steuergeldern finanzierte Designerteil liegen – tragen soll sie das jetzt aber bitte nicht mehr so oft, weil das ja »Snobby Chic« wäre? Das sollte mal jemand bei den vom Staat finanzierten Royals versuchen. Selbst als Murty wartenden Journalisten einmal Tee servierte, wurde sofort recherchiert, dass die Becher rund 38 Pfund das Stück kosten. Wetten, dass am Wochenende irgendwo ein Umzugskarton mit Ikea-Geschirr reingetragen wurde?

Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren ein gewisses »Downsizing« in Downing Street zu beobachten. Cherie Blair zahlte noch 275-Pfund-Tagessätze an ihren persönlichen Coiffeur, Samantha Cameron ein 53.000-Pfund-Jahresgehalt an ihre Stylistin – alles natürlich vom Haushaltsgeld, was bei der Öffentlichkeit nicht gut ankam. Theresa May war da deutlich sparsamer, Liz Truss – ihren 4,50-Pfund-Ohrringen nach zu urteilen – wäre das sicherlich auch gewesen, Carry Simonds, die Frau von Boris Johnson, kleidete sich obendrein noch nachhaltig – hintenrum protzte sie aber genauso gern: Die Umdekorierung der Premierministerwohnung in Downing Street 11 kostete ganze 200.000 Pfund. Leider löst sich die berühmte »Wallpaper-Gate«-Tapete mit Blattgold angeblich schon wieder von der Wand. Kein Wunder, dass Sunak und Murty lieber nach nebenan ziehen.

Darf man in der modernen Politik überhaupt noch teure Statussymbole tragen? Spontan fällt einem ein, wie die SPD-Politikerin Sawsan Chebli, die 2018 für ihre Rolex kritisiert wurde, obwohl die in jeder Hinsicht verdient war. Manche Staatsdiener haben ein so gutes Gehalt, dass sie vergleichsweise »reich« sind, wie der Kanzler kürzlich zugab – nur zeigen darf man das nicht, selbst wenn man schon vorher reich war. Das ist ein bisschen heuchlerisch, aber womöglich ein Verlust, den ein Volksvertreter verschmerzen kann, wenn die High-Street-Gürtel der Wähler inflationsgetrieben enger geschnallt werden müssen.

Und wenn die Amtszeit von Rishi Sunak ungefähr dem jüngsten Durchschnitt entspricht, dürften all die teuren Sachen ja noch passen, wenn er und seine Frau Downing Street wieder verlassen.

Typischer Instagram-Kommentar: »Feeling down already?«
Das sagt der ehemalige Schatzmeister: »Wir leaken einfach, dass dein 1000-Pfund-Rock um 70 Prozent reduziert war.«
Passender Song: »Champagne Problems« (Taylor Swift)