Wer in diesen Tagen die US-Webseite der amerikanischen Outdoor-Marke Patagonia besucht, wird statt mit den üblichen Kaufvorschlägen und Imagebildern mit einer alarmierenden Botschaft begrüßt: »Der Präsident hat euer Land gestohlen.«
Das Ganze ist eine Reaktion auf die Anordnung Trumps, die zwei Naturschutzgebiete »Bears Ears« und »Grand Staircase – Escalante« in Utah um mehr als 5000 Quadratkilometer zu verkleinern, der eine soll ganze 85 Prozent seiner Fläche einbüßen, der andere 50 Prozent. Während Trump mit der Aufhebung des Schutzstatus angeblich Wanderern und Jägern einen Gefallen tun will, vermutet Patagonia dahinter wirtschaftliche Interessen: »Die Geschichte zeigt, dass wenn der Staat öffentliches Land verkauft, 70 Prozent davon anschließend für Ölbohrungen, Rohstoffabbau und andere industrielle Arbeiten genutzt werden«, heißt es auf der Patagonia-Microsite.
Deshalb hat das Unternehmen gegen Trumps Dekret bereits Beschwerde eingereicht – als einziges Modeunternehmen im Zusammenschluss mit verschiedenen Naturschutzgruppen und parallel zu einer Klage verschiedener indigener Stämme, die durch Trumps Öffnung heilige Stätten in den beiden Gebieten in Gefahr sehen.
Patagonia hat eine lange Tradition im Umweltaktivismus. Firmengründer Yvon Chouinard, der sein Unternehmen 1972 ursprünglich ins Leben rief, um sich selbst bessere Kletterausrüstung herzustellen, ist Mitbegründer der »One Percent for the Planet«-Allianz, deren Mitgliederfirmen sich freiwillig verpflichten, 1 Prozent des Gesamtumsatzes oder 10 Prozent ihres Gewinns an Umweltorganisationen zu spenden. Patagonia bemüht sich um Transparenz in der Produktionskette, verwendet Rohstoffe wie recyceltes Plastik und Bio-Baumwolle und ruft seine Kunden dazu auf, ihre Kleidung zu reparieren, recyclen und weiterzugeben. Über die Jahre hat sich das Unternehmen für den Erhalt zahlreicher Naturschutzgebiete eingesetzt, auch Bears Ears steht seit längerem ganz oben auf der Liste.
Nun liegt eine gewisse Nähe von Outdoor-Firmen zum Umweltaktivismus nicht fern – schließlich sind Naturliebhaber ja die Kernzielgruppe für deren Wander-, Kletter-, und Bergsteigerausrüstung. So äußert sich in einem offenen Kommentar auch Arne Arens, Präsident von The North Face, »tief enttäuscht« über Trumps neustes Dekret, und auch der amerikanische Outdoor-Händler REI drückt auf seiner Webseite deutlich seine Missgunst aus. Doch geht es bei diesen öffentlichen Statements wirklich bloß um die Liebe zum Planeten?
Patagonias Eigendarstellung als ökologischer Saubermann hat der Marke zweifellos genützt. Seit Jahren verzeichnet es Wachstum, die Umsätze bewegen sich langsam in Richtung der 1-Milliarde-Dollar-Grenze. Maßgeblich dafür verantwortlich ist auch die heutige Patagonia-Chefin Rose Marcario, die zuvor 15 Jahre im Private-Equity-Bereich arbeitete. Sie etablierte Patagonia als Marke, die nicht nur witterungstaugliche Jacken, sondern gleich ein ganzes grünes Image an konsumbewusste Öko-Hipster verkauft: leichte Daunen- und Fleecejacken als Ausdruck einer ganzen Weltanschauung – eine Art Fan-Kutte für LOHAS.
Auch die jüngste Aktion hat eingeschlagen: Am Tag nachdem Patagonia verkündete, Präsident Trump wegen der Verkleinerung der Naturschutzgebiete verklagen zu wollen, waren die Verkäufe der Outdoor-Marke durch Drittanbieter sechsmal höher als an einem durchschnittlichen Tag, wie der E-commerce-Tracker Slice Intelligence herausfand. Insgesamt stiegen die Verkäufe im Vergleich zur Vorwoche um 7 Prozent – und die beinhaltete den umsatzstarken Cyber Monday. Eine ähnliche Wirkung hatte die legendäre Anti-Werbeanzeige mit dem Titel »Don't buy this jacket«, die Patagonia 2011 in der New York Times schaltete, um, ja richtig gelesen, dazu aufzurufen, keine Patagonia-Jacke zu kaufen und sich im Konsumverzicht zu üben. Klappte super: Damals schnellten die Verkäufe um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in die Höhe.
Was paradox klingt, ist vor allem cleveres Marketing. Aber kann man das dem Unternehmen vorwerfen? Tatsächlich engagiert Patagonia sich mehr als andere Firmen der Branche: Gerade hat der Konzern 100 Prozent seiner weltweiten Umsätze am Black Friday für gemeinnützige Aktionen gespendet. Trotzdem: Am Ende ist auch die Outdoorindustrie ein riesengroßer Müllmacher. Wenn einfach gar keine neuen Fleecejacken mehr produziert und verkauft würden, so hälfe das der Umwelt noch immer am meisten.
Wird getragen von: Erfahrenen Bergsteigern und jungen Öko-Hippies
Wird getragen mit: Trekkingrucksack mit Regenschutz, SIGG-Trinkflasche
Der Song dazu: Ain't no mountain high enough
Fotos: Screenshot / rtr