Achtung Klischee: Was machen Frauen, wenn es ihnen schlecht geht? Also zum Beispiel der 15-jährige Sohn nicht mehr bei seiner Mutter wohnen möchte, zum wiederverheirateten Ex-Mann zieht und damit einen eher ungemütlichen Sorgerechtsstreit entfacht, der dann gleich noch die Australien-Tournee der Mutter ein bisschen vermasselt? Richtig, Frauen gehen dann gemeinhin shoppen. Danach sah es ja jedenfalls aus, als Madonna letzte Woche in New York fotografiert wurde.
Aber doppelt falsch: Erstens ist dieser große schwarze Shopper mit dem vermeintlichen Schriftzug einer großen deutschen Supermarktkette da in ihrer Hand keine Einkaufstasche, sondern die nächste große »It Bag« von Gucci. Und zweitens hat sie sicherlich nicht einmal die geshoppt, sondern wurde von ihrem Teilzeit-Tourausstatter Gucci freundlich damit versorgt, weil eine Frau von Madonnas Kaliber nun mal genau so eine Handtasche braucht.
Bald werden noch sehr viel mehr Frauen glauben, genau so eine Tasche zu brauchen. Denn das Modell wird uns von jetzt an sehr häufig begegnen. Schon bei den Schauen in Mailand im Februar war der Shopper eines der meistgeposteten Accessoires auf Instagram. Nicht nur, weil er nun mal groß und von Gucci ist und von Gucci gerade alles blind geliked wird, sondern weil dieses Teil zur Abwechslung noch eine Geschichte hat und die für die Luxuswelt geradezu unerhört subversiv ist.
Mit »real« besprüht hat diese Gucci-Tasche nämlich der amerikanische Street-Art-Künstler »GucciGhost«. Der heißt eigentlich Trevor Andrew, auch bekannt als Trouble Andrew, doch seit er sich an Halloween vor ein paar Jahren als Notkostüm ein Gucci-Logo-Bettlaken mit Gucklöchern überwarf, und in seiner Heimatstadt New York sowieso alles mögliche mit Graffiti-Doppel-Gs besprühte, nennt er sich nur noch GucciGhost. Normale Reaktion eines Luxusunternehmens: Dem »Künstler« deutlich zu verstehen geben, dass er sich besser andere Buchstaben aus dem Alphabet sucht, weil man in Mailand und Paris das unerlaubte Modifizieren des heiligen Logos nur so mittelwitzig findet. Unvergessen Hedi Slimanes beleidigte Reaktion, als die Pariser Boutiquen-Instanz Colette anfing, T-Shirts mit dem Schriftzug »Ain’t Laurent without Yves« zu verkaufen, kurz nachdem Slimane das »Yves« aus dem Namen der Prêt-à-porter-Kollektion gestrichen hatte. Da ließ der Spielverderber zur Strafe gleich die gesamte Saint-Laurent-Kollektion aus dem Laden räumen. Bis heute ist die Sache nicht erledigt.
Gucci-Designer Alessandro Michele hingegen reagierte, als er von dem Künstler hörte, im wahrsten Sinne des Wortes: begeistert. Statt ihm die Anwälte auf den Hals zu hetzen, lud er den Mann zur Belohnung ein, beim Entwerfen der Herbstkollektion mitzumachen. Jetzt gibt es also besprühte Pelzmäntel, Lederjacken mit Graffiti-Totenkopf, Handtaschen mit tropfenden Doppel-Gs. Das erinnert entfernt an Takashi Murakamis Kollektion für Louis Vuitton damals, ist allerdings nicht ganz die übliche Künstler-Koop, eher klug annektiertes Guerilla-Design. So viel Humor verträgt die Mode sonst selten. Und es dürfte ihr ziemlich gut bekommen: Die Verkaufsprognosen der Taschen sind gigantisch. Vielleicht fangen andere Marken auch mal mit ein bisschen Selbstironie an.
Wird getragen von: Madonna und anderen Frauen, die unter einem halben Kubikmeter Gepäck nie das Haus verlassen.
Typischer Instagram-Kommentar: Hui-Buhhhh
Das sagt die kritische Käuferin: Ist die wirklich echt?
Das sagt die Verkäuferin: Steht doch drauf.
Foto: Splash News