Erst seit gut einem Monat ist Jürgen Klinsmann Cheftrainer von Hertha BSC Berlin, und schon sorgte er mit einer der ersten Amtshandlungen für Aufsehen: Wie mehrere Medien berichten, hat Klinsmann seinem Team verboten auf Dienstreisen zu Auswärtsspielen Jogginghosen zu tragen.
Eine Maßnahme zur automatischen Auslese seiner Spieler? Nach dem Motto: Wer weiter in Jogger kommt, muss gehen? Mit 34 Spielern im Kader ist dieser nämlich ziemlich aufgebläht und Klinsmann gerade dabei auszudünnen.
Doch wer Klinsmanns Arbeitsweise kennt, den dürfte der Dresscode wenig überraschen. Schließlich wurde Klinsmann nach seinen Erfahrungen als Spieler in Italien, Mailand sowie den USA zu einer Art Symbolfigur des Kulturwandels im deutschen Fußball, als er 2004 als Bundestrainer zurückkam. In Klinsmanns Wahlheimat USA war der Profisport schon damals sehr viel stärker durchprofessionalisiert, inklusive vertraglich festgehalter PR-Termine und anderer repräsentativer Verpflichtungen. In der NBA ordnete Commissioner David Stern schon 2005 eine (durchaus umstrittene) Anzugpflicht für die Spieler an, die besagt, dass diese bei offiziellen Vereins- und Ligaangelegenheiten in einem »legeren Businesslook« auflaufen müssen.
In seiner Zeit als DFB-Coach näherte sich Klinsmann solchen Vorbildern an: das Aufbauen der Marke Nationalmannschaft wurde wichtiger und damit auch Äußerlichkeiten. Besonders in Verbindung mit seinem späteren Co-Trainer Jogi Löw machte er farblich aufeinander abgestimmte Slim-Fit-Hemden und Feinstrick-Pullis zum neuen Look am Spielfeldrand – statt Trainingsanzügen. Nun scheint er das auch von seinen Spielern zu erwarten.
Und doch ist einiges passiert, seit Karl Lagerfeld 2012 sagte: »Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.«
Mit seiner Anti-Schlabberlook-Meinung ist Klinsmann nicht allein. Erst vor wenigen Wochen verhängte ein Gymnasium in Hannover ein Trageverbot von Jogging-Outfits für seine Schüler – bei Verstößen würden diese mit Sanktionen wie »Schulhof saubermachen, Tische in der Mensa wischen oder Ähnliches« bestraft. Gleiches Schicksal ereilte die Jogginghose an einer Realschule im nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen schon im Frühjahr.
Es steht nicht gerade rosig um das gesellschaftliche Standing des legeren Beinkleids, könnte man meinen. Und doch ist einiges passiert, seit Karl Lagerfeld 2012 bei Markus Lanz seinen berühmten Satz sagte: »Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.« Nicht nur werden immer mehr Jogginghosen getragen (ein Blick auf das Straßenbild genügt), es wird auch noch jährlich am 21. Januar der internationale Tag der Jogginghose gefeiert (unter freudigem Mitwirken der großen Sportartikelhersteller) und sogar Modezar Lagerfeld selbst hat als Designer für Chanel und Fendi später Jogginghosen entworfen.
Geht Klinsmanns Kleiderordnung am modischen Trend vorbei? Der Trainer sorgt sich offensichtlich um das Ansehen seiner Spieler. Eine Anzugpflicht soll es allerdings nicht geben, wenn die Hertha-Spieler im Vereinsauftrag unterwegs sind. Es heißt, die Spieler müssten auf Sporthose und Trainingsjacke verzichten, könnten sonst aber individuell über ihre Kleidung entscheiden. Wir befürchten: Das könnte auch nach hinten losgehen. Statt Trainingshosen sehen wir vor unserem inneren Auge schon komplett destroyed Designer-Jeans, Logo-Allover-Prints, protzigen Goldbehang und weitere Fußballer-Klischee-Looks. Weniger prollig ist das sicher nicht, durchaus aber individueller.
Zumindest einer aber dürfte gerade tief aufatmen: Gabor Kiraly, acht Jahre lang Towart bei Hertha BSC, dessen Markenzeichen eine graue, schlabbernde Jogginghose war. Im Mai verkündete er sein Karrieeende.
Wird getragen von: Paris Hilton, Promis am LAX Airport, Sportlern
Wird getragen mit: Limitierten Sneakers oder UGG Boots, Coffee-to-go-Becher
Video-Tipp dazu: elf Freunde in Jogginghosen