Auf den roten Teppichen dieser Welt schienen zwei Schauspielerinnen am vergangenen Wochenende den Theater-Aspekt des Abends besonders wörtlich zu nehmen. Am Freitag erschien Kristen Stewart zum Screening ihres Films »Seberg« beim BFI London Film Festival in einem weinroten Zweiteiler aus weiter Hose und Kastenjacke, bei welcher die Schauspielerin nicht etwa die oberen, sondern die unteren Knöpfe offengelassen hatte.
Zwei Tage später zeigte sich Kollegin Jada Pinkett Smith zur Premiere des Films »Gemini Man« (bei dem ihr Mann Will Smith die Hauptrolle spielt) in Hollywood in einem apricotfarbenen Ensemble aus bodenlanger Spitzenhose und einem strassbesetzten, ärmellosen Überwurf in gleicher Farbe und Länge.
Auch wenn die beiden Outfits sich in punkto Glitzer- und Dekorierungsfaktor (Pinkett Smith trug über ihrem funkelnden Kleid auch noch ein massives Collier aus mehr als zehn Reihen Kunststoffperlen) kaum mehr unterscheiden konnten, einte sie das Stückchen nackter Bauch, das wie von einem Theatervorhang eingerahmt hervorblitzte. Haben wir es hier mit einem Ausschnitttrend zu tun?
In den letzten Jahren gab es eigentlich keinen Einblick in oder auf ein weibliches Körperteil, den wir nicht gesehen hätten. Side Boobs, Underboobs, den ursprünglich durch Angelina Jolies Auftritt bei den Oscars 2012 angestoßenen Trend zum himmelhohen Beinausschnitt (der mittlerweile von Promis wie Kendall Jenner und Bella Hadid bis fast auf das Schambein ausgeweitet wurde) sowie Cut-outs an allen erdenklichen Körperstellen vom Steißbein oder den Oberschenkeln bis hin zu den seitlichen Rippen – Stoff gespart wurde wirklich überall schon.
Trainiert, fettfrei, enthaart und mit einem guten Teint ausgestattet
Schockieren kann man damit aber niemanden mehr, allein die Industrie für Bekleidungstapes dürfte immer noch Luftsprünge machen. Übergeordnet dienen alle diese Ausschnitte – wenn nicht gerade der Betonung primärer Geschlechtsmerkmale – den eisern disziplinierten Celebrities der öffentlichen Demonstration, dass sie auch an den entlegensten Körperstellen trainiert, fettfrei, enthaart und mit einem guten Teint ausgestattet sind. Gucklöcher der Selbstoptimierung praktisch.
Ein besonders beliebtes Kleidungsstück zur beiläufigen »Ich bin in Form«-Inszenierung bilden dabei bauchfreie Tops, die schon Anfang der 2000er zusammen mit tiefsitzenden Hüfthosen für viele freie Haut im mittleren Körperbereich sorgten, und seit ein paar Sommern als »Crop Tops« und eine Art Model-Uniform zurück sind. Mit der lassen sich perfekt die akribisch antrainierten Sixpacks oder Abs, wie man im Fachjargon sagt, in Szene setzen.
Die Bauchblitzer bei Stewart und Pinkett Smith sind aber anderer Natur. Das Hautzeigen scheint hier nicht angestrengt sexy oder eine Schaubühne der absoluten Selbstbeherrschung, sondern eher ein geschickter, ungewohnter Blickfang zu sein – und damit sehr viel moderner. Und wenn man nach dem reichhaltigen Premierendinner mal keine Lust mehr auf Bauch raus hat, lässt sich das Sakko, bzw. der Vorhang einfach schließen.
Wird getragen mit: Fest vernähten Knöpfen
Nicht verwechseln mit: Lüftungsschacht
Guter Aufmacher fürs Netz: Sind Bauchschlitze das neue Dekolletee?