Unten ohne

Kurz, kürzer, gar nichts – der »No Pants«-Look ist einer der größten neuen Trends. Aber ist er auch beinhart feministisch?

Kylie Jenner trägt unterm Mantel einen Männerslip von Loewe – für 380 Euro.

Foto: Getty Images

Am Weltfrauentag muss man die Sache natürlich feministisch angehen. Wenn immer so stumpf gefragt wird, wer zu Hause/im Job/in der Welt im Allgemeinen eigentlich die Hosen anhat, kann man ab sofort antworten: Hosen? Welche Hosen? Dieses patriarchale Sinnbild haben moderne Frauen längst hinter sich gelassen, ab sofort gehen sie sogar ganz ohne dieselben vor die Tür. Stattdessen tragen sie nur Schlüpfer, mit oder ohne Strumpfhose dazu.

Julia Fox im Herbst in New York City.

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Kendall Jenner, Kylie Jenner, Hailey Bieber und Julia Fox (Foto oben) wurden in den letzten Monaten bereits im »No Pants«-Look gesichtet. Nachdem Labels wie Saint Laurent, Loewe und Bottega Veneta bereits keine Hosen, sondern nur Strumpfhosen oder Leggings auf dem Laufsteg gezeigt hatten, war der Trend bei den gerade zu Ende gegangenen Schauen für nächsten Herbst auch bei Ferragamo und vor allem bei Miu Miu zu sehen. Wer sich kürzlich noch über die extra kurzen Mini-Röcke aufregte – im Vergleich waren die noch ein großes Kleidungsstück. Denn der »No Pants«-Look hat wirklich überhaupt keine Knautschzone mehr, hier wird nichts verhüllt, kaschiert, das Bein ist der Länge nach zu sehen. Ungefähr so wie in der Golden-Lady-Werbung mit Kim Basinger aus den Achtzigern, die rückblickend übrigens derart klischeehaft sexistisch ist, dass es fast an Satire grenzt.

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Foto: Ferragamo

Drei mögliche Lesarten ergeben sich nun:

1. Die feministisch-liberale: Steckt euch eure Hosen doch sonst wohin, wir sind längst einen Schritt weiter! Das ganze vergangene Jahr wurde darüber diskutiert, wie Bauchfrei und sexy Winzröcke sich eigentlich mit Bodypositivity und der MeToo-Bewegung vertragen. Eine wachsende Gruppe von jungen Frauen ist offensichtlich der Meinung: hervorragend. Was sie anziehen – oder eben nicht anziehen –, ist der Gipfel der Selbstbestimmung.

2. Die post-pandemische: Der Trend ist eine direkte Folge des Homeoffice, wo sich über Monate nur notdürftig angezogen wurde und für die Zoom-Konferenzen lediglich die obere Körperhälfte von Bedeutung war. Wer häufiger »unten ohne« am Schreibtisch saß und aus Versehen auch mal so zum Café gegenüber schlurfte, macht jetzt gewohnheitsmäßig einfach damit weiter. Kylie Jenner ist auf dem Titel der aktuellen italienischen Vanity Fair entsprechend nur mit Bluse und Blazer abgebildet. Irgendwie auch ressourcenschonend.

3. Die modisch-pragmatische: Irgendwas muss auf die Miniröcke und Hüftjeans mit sichtbarer Unterwäsche darunter ja folgen. Wie kann man das noch steigern? Kurz, kürzer – gar nix! Das ist ganz einfache Marktlogik gepaart mit TikTok-Algorithmen, die möglichst auffälligen Trends eher den Vorzug geben. Wo zuletzt sowieso ständig das Bündchen der Schlüpfer zu sehen war, kann man das gute Stück jetzt auch mal ganz freilegen oder nur mit einem semi-transparenten Layer versehen. Bei Miu Miu entwarf Miuccia Prada immerhin Pantys in glitzernder Disco-Version. Das sieht bestimmt sofort viel angezogener aus.

Miu Miu bietet die Schlüpper-Disco-Version an.

Foto: Miu Miu

So ein Trend schreit selbstverständlich nach einem Praxistest, den die New York Post bereits vor zwei Wochen beinhart durchzog. Sie schickten eine Mitarbeiterin in weißem Unterhemd, weißem Schlüpfer, schwarzen Strumpfhosen und Mantel auf die Straße. Eigentlich ein klassischer Alptraum, halbnackt in der Öffentlichkeit, aber »überraschenderweise schienen andere Passanten den Look zu mögen«, gab sie zu Protokoll. Bequem zu tragen sei es obendrein. Ein Bauarbeiter bemerkte lediglich, dass man ihr hoffentlich viel Geld dafür zahle.

Dummerweise verhält sich die Sache genau umgekehrt: Wer die Designerversion nachmachen wollte, müsste allein für die weißen Slips mit Logo von Loewe 380 Euro ausgeben. Davon könnte man sich natürlich locker viel Beinbekleidung kaufen. Beim nächsten »With pants«-Trend dann wieder.

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