Ein Trikot mit Druck im Nacken

Der umstrittene Slogan der DFB-Elf kommt weg, aber erst nach der WM in Katar – im neuen Trikot ist also noch »Die Mannschaft« eingestickt. Dabei sollte die Aufregung doch eigentlich den Designs gelten. Eine Stilkritik.

Timo Werner, Serge Gnabry und Thomas Müller im neuen Heimtrikot, inspiriert vom ersten Deutschland-Trikot aus dem Jahr 1908.

Foto: adidas

An echten Problemen mangelt es ja gerade nicht – aber worüber könnte man sich stattdessen aufregen? Ahhhh, Fußball natürlich. Am Montag hat der DFB das neue WM-Trikots für Katar vorgestellt. Das erste Mal gibt es ein einheitliches Design für die Männer- und Frauen-Nationalmannschaft: weiß mit einem dicken schwarzen Längs-Streifen vorn, aber die Bild fand sofort den Fehler. »Das geht ja gut los!«, hieß es in der ersten Analyse zu »unserem Trikot«. In der teureren »Authentic Version« – das ist die Materialvariante, die auch die Nationalspieler tragen – ist hinten im Nacken noch »Die Mannschaft« eingestickt. »Fataler Fehler«, fand der Focus. »Mega-Panne«, urteilte der Blick. Schließlich sollte der Slogan doch eigentlich abgeschafft werden. Wie bitte soll man mit so einer Altlast auf den Schultern Weltmeister werden? Passt denn außer »uns« eigentlich keiner auf?

Bevor sich alle weiter echauffieren: Im Juli wurde zwar angekündigt, dass der umstrittene Marketing-Slogan »Die Mannschaft« abgeschafft wird – aber erst nach der WM in Katar. Daraus ergeben sich gleich noch zwei weitere Aufreger-Themen: Warum kündigt man einen Abschied an, der dann auf Raten erfolgt? Es ist ja nicht so, dass hier erst noch S-Bahn-Trassen verlegt werden müssten oder ein Nachfolger gesucht wird. Aber offensichtlich sind eben die »Mannschafts«-Tassen schon bedruckt, der Flieger angemalt, die Spielanalyse-Phrasen einstudiert. Davon soll nichts in die Tonne wandern, jeglicher Kritik aber schon mal der Wüstenwind aus den Segeln genommen werden.

Am Samstag wird die Nationalmannschaft der Frauen – hier Stürmerin Linda Dallmann – erstmals die neuen Trikots tragen, und zwar beim WM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei.

Foto: adidas

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Aber was genau ist eigentlich so schlimm an diesem Claim, den Oliver Bierhoff erfunden hat? (Oder eingedeutscht hat, die Franzosen sagen bekanntlich schon lange »La Mannschaft«.) Bei den Fans soll er immer wieder als zu kommerziell in der Kritik gestanden haben, was wirklich rührend ist, weil »unser« Fußball im Jahr 2022 ja ansonsten ein Sammelbecken von Tugendhaftigkeit, Altruismus und Wohltätigkeit ist. Deshalb kosten die Fan-Trikots nur 90 Euro, weil hier kein Cent Profit gemacht wird. Deshalb finden seit dem 222-Millionen-Transfer von Neymar zu PSG Kinder alle Summen unter 50 Millionen geradezu lächerlich. Da ist ein Marketing-Slogan noch das geringste Problem.

DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke hingegen sagte, er fände die Bezeichnung »respektlos gegenüber allen anderen erfolgreichen Mannschaften«. Da ist natürlich etwas dran. Zumal in der jüngeren Vergangenheit ja tatsächlich häufiger andere Mannschaften erfolgreich waren und ein Demonstrativpronomen »DIE« da nicht mehr so richtig passt. Andererseits soll laut Umfragen der Slogan im Ausland durchweg positiv konnotiert sein und für »Teamgeist und Erfolg« stehen. Vielleicht sind die Deutschen hier doch eine Spur zu pseudo-selbstkritisch. Wenn die Spanier ihre Auswahl »La Roja« nennen und die Franzosen »Les Bleus«, bliebe für die Deutschen ja noch die »Weiß-Schwarzen«. Das ist ganz sicher weniger problematisch.

Richtig, das Design, das geht in all der Aufregung vollkommen unter. Der Entwurf ist tatsächlich nicht besonders aufregend, was im Fachjargon »minimalistisch« heißt. Ein einzelner dicker schwarzer Streifen, der unweigerlich an eine Reifenspur erinnert. Dahinter steckt laut Adidas eine Hommage an das allererste Deutschland-Trikot von 1908, der alte Nostalgie-Trend also, der schon die letzten Jahre dominierte. Das ist ein bisschen schade, weil viele andere neue WM-Trikots im Gegenteil ziemlich frisch und innovativ daherkommen. Die japanischen Kits mit blauem Origami-Print etwa, oder das belgische Trikot mit Flammendesign an den Ärmeln.

Der deutsche Nationalspieler Serge Gnabry wird mit den Worten zitiert: »Mir gefällt das neue Heimtrikot sehr gut. (…) Es wird eine Ehre sein, in diesem Trikot für Deutschland bei der WM zu spielen.« Was man halt so sagt, wenn man beim Ausrüster und dem DFB in der Pflicht steht.

Dürfen wir uns, natürlich erst nach der WM, mal eine Sammlung an ehrlichen Trikot-Bekenntnissen wünschen? Einen Sergio Busquets, der motzt: »Eigentlich haben wir bei der EM 2016 nur wegen des ausgekotzte-Paella-Designs verloren.« Einen Giorgio Chiellini, der erklärt: »Dieses Krägelchen letztes Jahr war so peinlich adrett, dass wir unbedingt gewinnen mussten.« Einen Xherdan Shaqiri, der gesteht: »Ich habe bei jeder Grätsche Angst gehabt, dass dieses Billo-Leibchen wieder reißt.«

Übrigens ist das Zweit-Trikot der Deutschen zufällig wieder Rot-Schwarz – so wie beim WM-Sieg 2014.

Serge Gnabry findet das neue Trikot »sehr gut«, was auch sonst.

Foto: adidas

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