Man kann nicht nicht kommunizieren, schon klar. Das wissen dank Paul Watzlawick alle Kommunikationswissenschaftler, die in den Nullerjahren glaubten, »irgendwas mit Medien« sei ein Berufsbild mit Zukunft. Aber könnte man wenigstens nicht nicht noch mit geschwellter Brust ständig etwas mitteilen? Also mal wieder etwas anderes tragen als ein Motto-T-Shirt? Eher: nicht.
Victoria Beckham postete in ihrer Instagram-Story gerade ein Foto von sich mit einem alten Barbra-Streisand-Shirt. Neben ihr trägt Derek Blasberg, Lieblingsbuddy der Modewelt und nebenbei Betreuer ihres Youtube-Kanals, ein T-Shirt mit fettem »POSH«-Schriftzug und der Silhouette von Beckham aus Spice-Girls-Zeiten. Fantum ist das große Ding dieser Tage. Ständig will irgendwer sagen, wer oder was einem gefällt (oder so retro und daneben ist, dass es schon wieder ein »#mega«, »#LOL« oder »#epicforever« verdient). Die Menschen tragen ihr Herz nicht mehr auf der Zunge, sie haben es plakativ auf die Brust verlegt.
Deshalb hat H&M zum Start der dritten Staffel gerade eine Ladung »Stranger Things«-Klamotten auf den Markt geworfen, die von Serien-Fans gleich begeistert zu den »Friends«- und »Miami Vice«-Shirts in die Rotation genommen wurden. Und dann gibt es da ja auch noch all die Fußball- und Bandshirts, die mittlerweile selbst bei Mittvierzigern Alltagsgarderobe geworden sind. Der Fußballtrainer Ralf Rangnick ließ sich sogar im »Helen Fischer Ultras«-Shirt neben besagter Sängerin fotografieren. Der Drang zum textilen Bekennerschreiben muss wirklich gewaltig sein.
Der Trend begann vor drei Jahren mit einem hehren Anliegen, als Slogans wie »We should all be feminists« auf T-Shirts gedruckt wurden – mit freundlicher Unterstützung von und für Dior, zum ebenfalls sehr edlen Preis von 620 Euro. Das Tanktop mit dem Filmplakat von »Jaws« (»Der weiße Hai«) für jetzt nur noch 315 Euro ist natürlich gleichzeitig ein nostalgisches Andenken und eine Hommage an die letzte Kollektion von Raf Simons für Calvin Klein. Aber allmählich nehmen die Brustbekenntnisse da draußen Überhand. »Man kann nicht nicht liken«, müsste das Update von Watzlawicks Axiom lauten. Aber was verleitet einen da eigentlich? Das Bedürfnis irgendwo dazuzugehören, Team Posh, Team Hillary, Team Rachel, Team Gucci, Team Hard Rock Café?
Das Motto-T-Shirt ist wohl die moderne Parteinadel, nur dass die Gesinnung zwischen illustren Extremen wie Barbra Streisand, St. Pauli und Flashdance changiert, und so schnell wechselt wie die Posts auf Instagram. Moment! Genau! Das wär’s! Konsequenterweise wird in einer nicht allzu weiten Zukunft das interaktive T-Shirt wahrscheinlich gleich mit dem eigenen Instagram-Account synchronisiert. Dann kann man noch schneller von Posh zu E.T. auf der Brustfläche wechseln und sich das eigene Jugendbild, für das es auf Instagram immer die meisten Likes gibt, auch noch groß drauf laden. Das schönste Fantum ist schließlich immer noch das von sich selbst.
Wird auch getragen von: Ralf Rangnick, Rihanna, Adam Sandler Typischer Instagram-Kommentar: »Trag es treffender!«
Das sagt der Minimalist: »Könnt ihr nicht einfach mal die Brust halten?«