Bevor es hier um den sexistischen Mist des Techno-DJs Martin Solveig bei der Verleihung des »Ballon d’Or« geht, ein kurzer Ausflug zu Sport1. Auf der Homepage des Sportnachrichtensenders fand sich dieser Tage eine Art Artikel mit dem Thema: »Der Sommer der Biathlon-Beauties: Wierer, Gössner, Hammerschmidt und Co.«. Darin zu sehen: Instagram-Schnappschüsse trainierender und urlaubender Sportlerinnen. So läutet Sport1 den Winter ein, es ist ja schließlich Weltcup und da soll dem Leser schön warm ums Herz werden. Dass Miriam Gössner mittlerweile Neureuther heißt und seit zwei Jahren nicht mehr im Biathlon aktiv ist – wurscht, Hauptsache viel Haut.
Der Umgang mit Athletinnen ist auch im Jahr 2018 noch geprägt von Instinkten, die das männliche Klickvieh ansprechen. Das kann man nun traurig finden. Oder empörend. Klar ist aber: Bei Sport1 wird kaum ein anderer Artikel mehr Reichweite haben als die »Biathlon-Schönheiten« – oder die »Sexy Handball-Girls«, ein Vorgänger der Gössners und Hammerschmidts. Sportlerinnen, die auf ihr Aussehen, auf ihre Weiblichkeit reduziert werden - dieser Mechanismus ist leider ein Evergreen und Martin Solveig, der DJ, hat ihn mal wieder hochleben lassen, und zwar auf der ganz großen Bühne.
Der 23-jährigen Stürmerin Ada Hegerberg ruinierte er mit seiner Frage, ob sie nun »twerken« könne, vor der versammelten (vor allem männlichen) Fußballprominenz den wohl größten Moment ihrer bisherigen Karriere. Twerken. Ein Arschwackeltanz aus Amerika. Mehr fiel dem Franzosen in seiner Rolle als Moderator nicht ein, als die Norwegerin Hegerberg gerade ihren Preis entgegen nahm. Als sie aufrichtig bewegt von der Entwicklung des Frauenfußballs und den Hoffnungen junger Mädchen erzählte. Solveigs Kommentar, den Hegerberg mit einem entgeisterten »No« konterte, offenbarte genau jene Weltsicht, die auch Sport1 ans Pils trinkende Publikum transportiert: Frauen als Garnitur beim Sportlerball, als Staffage in den Locker Rooms des Herrenwitzes.
Ein Witz, ein flotter Spruch. Das hätte es laut Solveigs späteren Erklärungen sein sollen. Er habe doch niemanden beleidigen wollen und überhaupt basiere die ganze Aufregung nur auf Sprachkuddelmuddel. Sein vermurkstes Englisch sei Schuld – dabei hatte er auf Französisch gefragt. Und ist twerken nicht ein universeller, fremdsprachenübergreifender Ausdruck? Beim twerken wird die Frau zum Stück Po, für Solveig offenbar eine lohnenswerte Vorstellung. Warum zum Höllenfeuer überhaupt so eine Anmerkung, wo anstandshalber eine einfache Gratulation an die weltbeste Fußballerin des Jahres hingehört hätte?
An eine Sportlerin, die in der vergangenen Saison mehr Tore (46 in Liga und Champions League) erzielte als ihre männlichen Mit-Preisträger Luka Modric und Kylian Mbappé zusammen (34 Tore) und dabei nur einen lächerlichen Bruchteil von deren Millionengehältern kassiert? Hätte sich auch Cristiano Ronaldo so eine Frage anhören müssen? Oder Messi? Oder die alte Raucherlunge Mario Basler, der ein ähnliches Verständnis von Frauenfußball pflegt wie offenbar Martin Solveig?
Wohl kaum, denn die Herabwürdigung sportlicher Meriten im Mantel des Sexismus kennt meist nur eine Richtung: Mann nimmt Frau nicht ernst. Und nicht umgekehrt. Was Martin Solveig vor den Augen der Welt zum Ausdruck gebracht hat, ist also vielmehr als nur eine Geschmacklosigkeit. Es ist der Beweis für die Verachtung von weiblichen Höchstleistungen im Sport – und für die maskuline Deutungshoheit.
Und weil das hier eine »Abschiedskolumne« ist, nehmen wir hiermit feierlich Abschied von Typen wie Solveig, dessen größter Hit – nicht dass man ihn kennen würde – bezeichnenderweise »All Stars« heißt. Und, jetzt kommt’s: Nicht mal anständig twerken lässt sich zu dem!