Werde auch du ein Salvini

Axel Hacke stellt einen Leitfaden für erfolgreichen Populismus in drei Schritten auf. Ein Grundkurs mit Matteo Salvini, Donald Trump und der AfD.

Illustration: Dirk Schmidt

Der Siegeszug des italienischen Innenministers Salvini, den, wie man weiß, mehr als 128 Prozent aller Italiener wählen würden, sollte allen eine Lehre sein, die es in der Politik zu etwas bringen wollen. Hier deshalb der Grundkurs Werde Salvini, erfolgreicher Populismus, Teil 1.

Als erfolgreicher Populist benötigst du zuerst einen Gegner, den du für alles verantwortlich machen kannst, was den Wählern auf der Seele liegt. Für Salvini war das früher Rom und alles, was sich südlich davon befand; als seine Partei noch Lega Nord hieß, verhöhnte sie die Leute dort als stinkendes Pack, bis Salvini entdeckte, dass auch Süditaliener wählen dürfen. Fortan hieß seine Partei nur noch Lega, die Wähler unten am Stiefel waren großartige Menschen, und der Gegner hieß Brüssel, das den Vorteil hat, weit weg zu sein. Hauptsache, Gegner.

Du musst immer darauf achten, dass du als Populist gleichzeitig Handelnder und Opfer sein willst. Und du kannst nur gut handeln, wenn du ein Opfer bist: das deines Gegners. Donald Trump ist seit zweieinhalb Jahren Präsident, dennoch bleibt er Opfer:
der ­Demokraten, der Europäer, der Chinesen. Bedenke, dass deine Wähler sich auch als Opfer fühlen. Sie werden dich nur wählen, wenn sie dich als einen der ihren sehen.

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Zweitens benötigst du für den Aufstieg ein Problem. Mit diesem Problem musst du sorgsam umgehen. Du musst es einerseits lösen wollen, andererseits darfst du es nicht wirklich lösen, denn du verdankst diesem Pro­blem deinen Aufstieg. Wenn das Problem plötzlich weg wäre, wärst du es auch. Es würde dir gehen wie der AfD, die einen Parteitag zur Sozialpolitik absagen musste, weil sie keine Ahnung hatte, was sie beschließen sollte.­

Matteo Salvini nimmt deshalb an Konferenzen zur Lösung der Flüchtlingsfrage nie teil. Aber wenn ein Schiff mit einigen Migranten an Bord auftaucht, schickt er es weg. Zwar steigen im selben Moment im selben Hafen viel mehr Flüchtlinge aus kleinen Booten, aber das sieht niemand, weil Salvini die Aufmerksamkeit auf dieses Schiff gelenkt hat. Bedenke: Wichtig ist nicht, was geschieht. Wichtig ist, was die Menschen sehen. Sie müssen dich sehen! Sie müssen wahrnehmen, wie du Lager schließt, wie Leute abtransportiert werden. Wohin? Egal. Sie werden schon irgendwo bleiben, das Problem soll ja auch nicht verschwinden, wie gesagt.

In Italien sind Flüchtlinge immer gut sichtbar, weil viele an den Küsten ankommen. Deshalb heißt es oft, dass die Italiener mit ihnen alleingelassen worden seien. Das stimme aber nicht, hat der österreichische Soziologe Gerald Knaus gesagt. Die meisten Flüchtlinge seien in Deutschland gelandet, wo in den vergangenen fünf Jahren 900 000 Schutz gefunden hätten, wogegen es in Ita­lien innerhalb von zehn Jahren 92 000 gewesen seien. Aber das sind Zahlen! Als guter Populist weißt du, dass Zahlen nichts sind, wenn sie auf Papier stehen. Sie sind nur wichtig, wenn man sie fühlt, so ist es mit Temperaturen auch, überhaupt mit allem.

Drittens solltest du übrigens, wenn es um das Problem geht, von dem du lebst, so wenig wie möglich im Büro sein. Dort sieht dich niemand. Salvini ist fast nie im Büro, immer im Wahlkampf. Wenn ihn jemand kritisiert, sagt er, es habe genug Innenminister gegeben, die im Büro geschlafen hätten. Das stimmt zwar auch nicht, denn Salvinis Vorgänger, ein Sozialdemokrat, hat eine Menge dafür getan, dass weniger Flüchtlinge nach Italien kommen als früher. Aber das muss keiner wissen, nicht wahr? Donald Trump feiert die Konjunktur in den USA, die er seinem Vorgänger verdankt, als seinen ­eigenen Erfolg, also, das musst du dir merken: Wenn du ein guter Populist sein willst, musst du darauf achten, dass du die Früchte der Arbeit anderer ernten kannst. (Nur, ähem, für den Fall, dass du nichts zustande bekommst.) Du selbst solltest dich zuerst ­deines Populistenlebens freuen.