Darf ich Schulsachen im Discounter kaufen?

Bei Aldi und Co. sind Stift und Schere besonders billig. Eltern reißen sich darum, bis das Regal leer ist – auch Gutverdiener. Die Gewissensfrage: Ist das Einkommensschwachen gegenüber unfair?

»Jetzt, zum Schulbeginn, habe ich mitbekommen, dass sich gut verdienende Bekannte darüber unterhalten, um welche Uhrzeit man bei Aldi sein müsse, um Schulsachen im Angebot noch ›zu erwischen‹. Ist das okay, wenn dann Familien mit geringem Einkommen, die vielleicht jobbedingt nicht die Möglichkeit haben, bei Ladenöffnung auf der Matte zu stehen, deshalb leer ausgehen?« Kathrin B., München

Discounter werden oft als wahrlich demokratische Einrichtungen bezeichnet, weil sich dort alle Teile der Bevölkerung treffen und einkaufen und zudem sich diejenigen mit weniger Kaufkraft mehr leisten können als anderswo. Andererseits gibt es Klagen, dass dafür der Umgang mit den Mitarbeitern und Lieferanten wesentlich weniger demokratisch ablaufe.

Diese knappe Beschreibung hat im Grunde schon das Feld abgesteckt. Natürlich steht es jedem frei, beim Discounter einzukaufen. Angesichts von Gruppendruck und Markenwahn ist es gerade bei Schulsachen aus gesellschaftlicher Sicht sogar gut, wenn sich die günstigen Produkte gleichermaßen bei allen Kindern finden. Dem steht gegenüber, dass die günstigen Preise teilweise teuer erkauft sind, und zwar auf Kosten von Mitarbeitern, Lieferanten und anderen Geschäften, die da nicht mithalten können. Man unterstützt mit dem Einkauf Strukturen, in denen die Kräfte des Marktes hart und ungefedert wirken. Das ist speziell bei denjenigen fragwürdig, die selbst gut abgefedert leben.

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Das leitet über zum Hauptproblem der begrenzten Verfügbarkeit. Wenn Ihre Bekannten genau wissen, dass man rechtzeitig dort sein muss, bedeutet das denknotwendig, dass andere dann nicht zum Zug kommen. Dann aber läuft das Demokratie-Argument – wobei es streng genommen nicht darum, sondern um Egalität, also um die Gleichheit aller geht – ins Leere. Zwar sind alle gleich und haben die gleichen Rechte, aber das ist ungerecht, wenn nicht alle die gleichen Möglichkeiten haben, hier in unterschiedlichem Maße auf günstige Angebote angewiesen sind. Besonders in diesem Fall: Es ist ohnehin bedenklich, wenn der Einkauf von Schulsachen für manche finanzielle Probleme aufwirft, aber das noch zu verschärfen, wenn man es nicht nötig hat, ist schwer zu vertreten.

Leseempfehlungen:

Anna Goppel, Corinna Mieth, Christian Neuhäuser (Hrsg.), Handbuch Gerechtigkeit, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016

Christoph Horn, Nico Scarano, Philosophie der Gerechtigkeit. Texte von der Antike bis zur Gegenwart, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2002

John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1975

John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness. Ein Neuentwurf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003

Otfried Höffe (Hrsg.): John Rawls. Eine Theorie der Gerechtigkeit. Aus der Reihe Klassiker Auslegen, Akademie Verlag, Berlin 2. Auflage 2006

Thomas W. Pogge: John Rawls, Verlag C.H. Beck, München 1994