Vielleicht sollte ich damit anfangen, für wie begrüßens- und achtenswert ich Ihre Grundsätze beim Kaffeekauf halte. Viel zu viele Menschen vergessen, dass auch das Einkaufen ein Handeln mit Auswirkungen auf die Umwelt darstellt und deshalb ethisch reflektiert werden muss. Das tun Sie in vorbildlichem Maße und gemeinerweise geraten Sie nur deshalb überhaupt in Gewissensnöte. Wer sich diese Gedanken nicht macht, kann den Gratiskaffee mit Freude schlürfen, während er bei Ihnen einen bitteren Nachgeschmack erzeugt. Manchmal könnte man fast meinen: Das beste Ruhekissen ist gar kein Gewissen.
Das wollte ich voranstellen, um Sie nicht zu Unrecht in ein allzu schlechtes Licht zu rücken, wenn ich mich nun dem Geschenk zuwende. Denn meine Frage lautet: Warum haben Sie etwas angenommen, von dem Sie auf den ersten Blick erkennen konnten, dass Sie es nicht wollen? Um die Kassiererin nicht zu kränken? Das wäre nett gewesen, aber nicht nötig. Sie hat Ihnen kein persönliches Präsent überreicht, sondern eine Werbeaktion vollzogen. Und dann greift eine einfache Regel: Was man nicht braucht, braucht man auch nicht, wenn man es gratis bekommt. Hässliches wird nicht schöner, wenn es nichts kostet, und Schlechtes nicht besser. Und um auf ein bekanntes Sprichwort zu kommen: Wenn man einen geschenkten Gaul annimmt, obwohl man keinen braucht, ist das nicht klug und bescheiden, sondern schlicht eine Form von Gier.
Was nun? Wegwerfen macht es, wie Sie schreiben, nicht wirklich besser. Andererseits wird Ihnen der Kaffee nicht schmecken. Am sinnvollsten scheint mir, ihn an jemanden weiterzuschenken, der sonst auch diese Marke kauft, und selbst wieder fair gehandelten zu erstehen. Und vor allem das nächste Mal auch bei Gratisgaben vor dem Zugreifen zu überlegen, ob man sie wirklich haben will.
Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Hultschiner Str. 8, 81677 München oder an gewissensfrage@sz-magazin.de.
Illustration: Marc Herold