Schwanger

Heute wird man nicht mehr einfach nur im Privaten schwanger, sondern lässt sich im Fernsehen von einem Millionenpublikum dabei begleiten.

Schwanger zu werden war bis vor zehn, fünfzehn Jahren ein so undramatisches wie privates Ereignis.

Erst in jüngster Zeit, durch die Verbreitung der künstlichen Befruchtung und das immer höhere Alter der Mütter, hat sich die Ausgangslage geändert: Die Erfüllung des lange hinausgezögerten Kinderwunsches, ermöglicht durch komplexe medizinische Techniken, begleitet von einem Stab Reproduktionsspezialisten, ist zu einer halböffentlichen, dramatischen Angelegenheit geworden, und es ist kein Wunder, dass vor allem Prominente, die diesen Wettstreit hart an der Kante zur Menopause noch gewonnen haben, ihren Babybauch inzwischen wie Trophäen ausstellen. In den nächsten Wochen läuft auf Sat1 Deutschland wird schwanger an, eine Sendung, in der hundert Paare ein Jahr lang bei ihrem Versuch begleitet worden sind, sich fortzupflanzen. Diese Show, an das erfolgreiche britische Vorbild Make Me a Baby angelehnt, führt die neue Erzählbarkeit und Öffentlichkeit des Schwangerwerdens an ein konsequentes Ende.

Die zunehmend verzweifelten Strategien der Paare, ihr Wunschkind durch alle möglichen Hilfsmittel und Rituale doch noch in die Welt zu setzen, entfalten ein solches Potenzial an Entertainment, dass sie ein Millionenpublikum fesseln können. Was jahrtausendelang nichts als ein kreatürlicher Vorgang war, ist jetzt eine spannungsreiche, aufwendig inszenierbare Geschichte.

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Die Kandidaten arbeiten mit Babyflüsterern zusammen, feiern hoffnungsvolle Eisprung-Wochenenden in Wellness-Hotels, und der Höhepunkt jeder Folge ist natürlich der Schwangerschaftstest: der Augenblick, in dem über Erfolg und Misserfolg der Bemühungen entschieden wird.

Man kann die Empörung, die diese Show bei Politikern und kirchlichen Mediendiensten auslösen wird, förmlich voraussagen; auch das Privateste und Intimste schlechthin, die Empfängnis und Geburt eines Kindes, sei nun also zum Fernsehformat geworden. Doch ist die Sendung nicht einfach die logische Fortführung jener Vergesellschaftung des Schwangerwerdens, wie sie sich durch die neuen Reproduktionstechnologien seit Jahren entwickelt hat?

Zudem lässt sich Deutschland wird schwanger auch als Reaktion des Fernsehens auf einen elementaren Wandel der Familienpolitik verstehen: Nach den hedonistischen und selbstbezogenen Neunzigerjahren wird das Zeugen von Kindern, das Bilden von Familien gerade wieder zur gesellschaftlichen Pflicht erhoben. Die Sendung befördert diese neue Politik der Reproduktion. Und die Auszeichnung der erfolgreichen Kandidatinnen, jene Viertelstunde Ruhm im Fernsehen, ist eine Art Mutterkreuz des Medienzeitalters.

Foto: dpa