Michaela M. Verheyen betreibt seit mehr als 20 Jahren die Feinkosthandlung »Flaschengeist« mit Filialen in Münster und Bonn, die sich unter anderem auf Essig zum Selbstabfüllen spezialisiert hat:
»Die meisten Speiseessige enthalten etwa fünf Prozent Essigsäure. Dass sie trotzdem unterschiedlich sauer schmecken, liegt an den verschiedenen Zusammensetzungen. Essig besteht üblicherweise aus einer Basis aus Branntweinessig, Weißweinessig oder reinem Fruchtessig und wird mit Most, also gepresstem Fruchtsaft, verfeinert. Je nachdem, aus welchen Früchten der Most gepresst wurde und in welchem Verhältnis Most und Basisessig gemischt werden, schmeckt der gewonnene Essig mehr oder weniger sauer.
Himbeeren oder Aprikosen sind süßer und haben von Natur aus weniger Säure als zum Beispiel Äpfel und Zitrusfrüchte. Himbeeressig schmeckt deshalb süßer als zum Beispiel Apfel- oder Orangenessig mit demselben Säuregehalt. Außerdem spielt die Qualität der verwendeten Früchte eine Rolle: Jeder schmeckt den Unterschied zwischen einem Essig aus handverlesen, reifen und direkt verarbeiteten Himbeeren und einem aus unreifen Früchten gewonnenen Produkt, dem Zucker beigegeben wird. Ein saurer Apfelessig ist deshalb nicht weniger gut, der saure Geschmack ist gewollt und kein Makel. Die Säure ist gut für den Körper und kurbelt den Stoffwechsel an. Saurer Essig verleiht Eintöpfen, zum Beispiel Grünkohl oder Linsensuppen, einen gewissen Pfiff, da braucht man keinen Schnickschnack.
Zu einer Essig-Grundausstattung gehören ein saurer Wein- oder Apfelessig, ein milder Fruchtessig, zum Beispiel ein Himbeer- oder Feigenessig sowie ein guter Balsamico-Essig – achten Sie darauf, dass er nicht mit Zuckercouleur versetzt ist (»E 150« in der Zutatenliste). Mit Olivenöl oder Walnussöl lassen sich daraus schon spannende Salatsaucen mischen. Würzen ist total simpel und funktioniert wie Kochen im Kleinen: Je mehr Geschmackskomponenten – also sauer, süß, salzig und bitter – ich abdecke, desto harmonischer schmeckt mein Salatdressing.«