Prof. Dr. Elisabeth Tiller ist an der TU Dresden am Institut für Romanistik tätig:
»Zwischen 4000 und 3000 vor unserer Zeitrechnung wurde die Verarbeitung von Getreide zu Mehl üblich. Im Zuge dessen kam auch irgendwann die Idee auf, dass man Mehl zu einem Nudelteig verarbeiten konnte. Das hat in China weitaus früher stattgefunden als im Nahen beziehungsweise Mittleren Osten oder in Italien, das wir heute spontan mit Pasta in Verbindung bringen. Man weiß, dass im ersten Jahrtausend vor Christus in China Nudeln gefertigt wurden und um das Jahr 0 herum auch nudelartige Teigtaschen zumindest in Nordchina absolut üblich waren. Die Nudeln bestanden aber aus Weichweizenmehl (und Eiern), nicht aus Hartweizenmehl, wie wir sie heute in Form der ‚trockenen‘ Pasta, der pasta asciutta, aus Italien kennen. Über die Seidenstraße kam dann höchstwahrscheinlich die Praxis, aus einem Teig Nudeln zu kochen, in den Mittleren und Nahen Osten Richtung Mittelmeerraum.
Zwischen dem dritten und fünften Jahrhundert wurde etwas Nudelähnliches in Palästina gefertigt. Es ist davon auszugehen, dass das in der jüdischen Küche verbreitet war und die Nudelherstellung unter anderem mit den jüdischen Migrierenden in ganz Europa ankam. Aus dem frühen Mittelalter wissen wir auch, dass Nudeln in Persien hergestellt wurden. Bei den antiken Römern und bei den Griechen gab es jedoch noch keine Nudeln. Der entscheidende Schritt für Italien war, dass man im ersten Jahrhundert nach Christus dann erstmals Hartweizen in Ägypten anbaute. Das war eine Weiterzüchtung der Getreidesorte Emmer. Dieser Hartweizen ist wichtig für die Nudelherstellung, weil ihm ein hoher Kleber- und Eiweißgehalt zu Eigen ist. Die Sorte wurde dann rasch auch in Sizilien angebaut. Aber erst von den Arabern, die von 831 bis 1091 in Sizilien herrschten, erlernte man wohl die nötigen Techniken. Sie waren es, die die Hartweizennudelproduktion nach Sizilien gebracht haben.
Dass Nudeln nun in Italien hergestellt wurden, das wissen wir gesichert seit dem mittleren zwölften Jahrhundert: In der Nähe von Palermo, in der Kleinstadt Trabia, florierte die Hartweizennudelproduktion – die Herstellung von zwei bis drei Jahre haltbaren itriyya, ein Name, der auf die arabische Herkunft verweist. Die entstandenen Nudeln – lange dünne Stränge aus getrocknetem Teig, die in Wasser gekocht werden, heißen auch vermicelli und wurden in den gesamten Mittelmeerraum exportiert. Zentren der Nudelproduktion waren im 13. und 14. Jahrhundert Trabia, Neapel, Cagliari und Genua. Inzwischen fertigte man, insbesondere in Mittel- und Norditalien, auch ‚frische‘ Nudeln, pasta fresca, also Nudeln aus Weichweizenmehl und Eiern. In Texten des Zeitraumes werden maccheroni, vermicelli, lasagne und ravioli genannt. Pasta ist, gerade in Mittel- und Norditalien, jedoch noch lange exklusiver Bestandteil des Speiseplans von Adeligen und reichen Städtern. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Pasta dann in allen Küchen Italiens angekommen.«