Luziano González Tejón ist Mitglied des Integrationsrates der Stadt Köln und Leiter des dort ansässigen interkulturellen spanischen Zentrums »Antonio Machado«:
»Wenn die Turmuhr auf der Madrider Puerta del Sol zu Silvester zwölf schlägt, isst man in Spanien pro Uhrschlag eine Traube. Die Trauben symbolisieren die zwölf Monate des neuen Jahres. Ist man bis zum Verklingen der Schläge fertig, bringt das Glück für die Zukunft. Man muss sie also regelrecht verschlingen und da strengt sich jeder ganz besonders an. Damit das besser klappt, nehmen manche kernlose oder extra kleine gehäutete Trauben. Eigentlich müssen es aber große Trauben sein, um auch großes Glück zu haben.
Erfunden haben den Brauch der Legende nach Obstbauern, die vor mehr als 100 Jahren auf ihren Trauben sitzen blieben. Heute verfolgt man am Silvesterabend die Glockenschläge der Madrider Turmuhr live im Fernsehen. Schon ein paar Minuten vor Mitternacht macht sich jeder bereit. Mehrfach zählt man nach, ob auch alle zwölf Trauben da sind. Fehlt eine, versucht man hektisch, Ersatz aufzutreiben. Die Moderatoren im Fernsehen sind selbst ziemlich nervös – da kam es schon vor, dass das neue Jahr zu früh angekündigt wurde.
In Supermärkten bekommt man die Trauben abgezählt in Tüten. Die Trauben sind aber auch politisch symbolträchtig. Die Pop-Band »Mecano« sang mal, dass die »uvas de la suerte« alle Spanier verbinden. Wir sind viele Völker in einem Land, es gibt immer wieder politische Auseinandersetzungen. Aber egal ob aus Andalusien, dem Baskenland, Asturien oder Kastilien – die zwölf Trauben verbinden uns und sind identitätsstiftend.«