»Am höflichsten sind leere Wände«

Wes Andersons neuer Film handelt von einem außergewöhnlichen Hotel. Der Regisseur selbst schätzt unterwegs vor allem verständliche Dusch-Armaturen und Zimmer ohne Telefon und Fernseher. Ein Gespräch über das Leben in fremden Räumen.

Die Maßanzüge ein wenig zu kurz geschnitten, die Haare lang: Regisseur Wes Anderson.(Foto:afp)
SZ-Magazin: Mister Anderson, der Schriftsteller Vladimir Nabokov lebte 16 Jahre lang in einem Luxushotel am Genfer See. Wäre das für Sie eine ideale Existenzform?
Wes Anderson: Nein. Ich liebe Hotels, aber nach einer Woche bedrückt es mich, eine Lobby durchqueren zu müssen, um in mein Zimmer zu gelangen. Ich habe es nicht so gern, gemustert zu werden und ein paar Mal am Tag auf Tuchfühlung neben fremden Leuten im Aufzug zu stehen. Hinzu kommt, dass es in Hotels zwei Dinge gibt, die für mich sehr gefährlich sind: 24-stündiger Roomservice verleitet mich, zum Einsiedler zu werden, der sich weigert, in die reale Welt zurückzukehren. Der zweite Gefahrenherd ist der Fernseher.

Warum?
Mir fehlt die Kraft, der Versuchung zu widerstehen, willenlos von Kanal zu Kanal zu schalten und so meine Lebenszeit zu vergeuden. Deshalb gibt es bei mir zu Hause keinen Fernseher.

Luxushotels führen Dateien mit Vorlieben, Abneigungen und Marotten ihrer Gäste. Was steht da über Sie?
In einigen der Hotels, in denen ich öfter wohne, wird vor meiner Ankunft der Fernseher aus dem Zimmer entfernt. Dicht neben das Bett wird ein Tisch für den Blu-Ray-Player gestellt. Ansonsten scheine ich keine Bedürfnisse zu haben, die es wert sind, notiert zu werden.

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Als 1898 das »Ritz« in Paris eröffnete, meckerte Oscar Wilde, die Fahrstühle bewegten sich zu schnell und die Elektrifizierung des Hotels sei Schnickschnack. Beim Anblick des Badezimmers bemerkte er: »Wer will schon ein fest eingebautes Waschbecken? Ich ziehe es vor, nach Wasser zu läuten, wenn ich es brauche.« Was ärgert Sie in Hotels?
Der Handtuchhalter ist einen Tagesmarsch von der Dusche entfernt. Es gibt keinen Haken für den Bademantel. Neben dem Waschbecken ist kaum Platz für Toilettenartikel, weil Hoteldesigner Ablageflächen zu verachten scheinen. Um im Bett lesen zu können, müsste man eine Taschenlampe im Gepäck haben. Man muss Lampen ausstöpseln oder unters Bett kriechen, um eine Steckdose zum Aufladen des Laptops zu finden. Beim Zubettgehen sucht man vergebens den Schalter, mit dem man die letzte noch brennende Lampe ausknipsen kann. Soll ich weitermachen?

Verstehen Sie, warum in gehobenen Hotels der Anfang der Toilettenpapierrolle zum Dreieck gefaltet wird?
Ich kann nicht sagen, dass ich das für einen spektakulär schönen Effekt halte. Es ist nichts als Papierverschwendung.

Finden Sie es befremdlich, Toilettenpapier zu benutzen, das zuvor von fremden Händen gefaltet wurde?

Das fällt in die Kategorie von Dingen, über die man besser nicht nachdenkt. Ich stelle auch keine Vermutungen darüber an, ob das Zimmermädchen für WC und Badewanne denselben Putzlappen verwendet oder wie oft das Tuch benutzt wurde, mit dem mein Zahnputzglas gesäubert wird.

Was denken Sie, wenn Sie im Bad ein Schild sehen mit dem Appell, man solle wegen des Umweltschutzes überlegen, ob man die Handtücher wechseln wolle?

In meinem Fall ist diese Ermahnung unnötig, aber ich ahne, dass es viele Menschen gibt, die in Hotels dreimal mehr Handtücher benutzen als bei sich zu Hause. Deshalb bin ich für diese Schilder. Ich bezweifle allerdings, dass Hoteliers ein ausgeprägtes grünes Gewissen haben. Es geht ihnen wohl eher darum, Reinigungskosten zu sparen.

Verstehen Sie auf Anhieb, wie in Designhotels die Duschen funktionieren?
Nein. Bei meinen Versuchen, die Dusche einzuschalten, habe ich schon Armaturen abgebrochen. Will man die Handbrause anmachen, geht meist über einem die Rainshower-Dusche los. Offenbar gilt es als unfein, Armaturen zu beschriften. Ich mag auch keine Duschen, die mit einem Sensor funktionieren. Die gehen immer dann aus, wenn man Shampoo im Haar hat. Nichts gegen Philippe Starck, aber wir haben es Designern wie ihm zu verdanken, dass es immer weniger funktionale Waschbecken gibt. Statt konkaver Becken hat man es jetzt oft mit einer ebenen Glasplatte mit seitlichem Abfluss zu tun. Dreht man das Wasser an, sieht man aus, als hätte man in seinen Kleidern geduscht.

In Designhotels ist es Mode geworden, zwischen Bad und Zimmer eine Glasscheibe einzuziehen. Mögen Sie das?
Nein. Es gibt im Leben einen Platz für Mauern, und dies ist einer.

Was machen Sie, wenn nachts der Minibarkühlschrank brummt wie ein Vibrator?

Nichts, denn ich mag keine Zimmer, die so still sind, dass eine Minibar sich bemerkbar machen könnte. Ich finde sogar Straßengeräusche angenehm. Sie helfen mir einzuschlafen.

Wie reagieren Sie, wenn Sie in einem Fünf-Sterne-Haus für eine kleine Flasche Mineralwasser aus der Minibar acht Euro zahlen sollen?
Es wundert mich immer wieder, dass so winzige Flaschen überhaupt hergestellt werden. Für Wasser Geld zu verlangen ist genauso Nepp wie dem Gast den Zugang zum Internet in Rechnung zu stellen. In den meisten Coffeeshops ist WLAN-Nutzung kostenlos. Warum soll ich in einem Luxushotel für den gleichen Service bis zu 15 Dollar bezahlen?

Was sollte außer Wasser in jeder Minibar vorhanden sein?
Schokolade. Und freier Platz. Wenn ich länger im selben Hotel bin, lasse ich die Minibar leer räumen, um einen Kühlschrank zu haben. Dann kaufe ich Dinge wie Käse, Parmaschinken und gesalzenen Fischrogen.

Waren Sie schon einmal in einem Hotelzimmer, in dem Ihnen die Bilder an den Wänden gefallen haben?
Nein. Am höflichsten sind leere Wände.

Welche Verhaltensweisen von Hotelangestellten bringen Sie auf die Palme?
Attitüden. Ich habe es ungern mit Menschen zu tun, denen deutlich anzumerken ist, dass sie lieber Gast wären. Servilität ist mir genauso unangenehm. Ich mag es, wenn Angestellte sich nach der Grand-Hotel-Devise verhalten: We are ladies and gentlemen serving ladies and gentlemen.

Sie sind in Texas aufgewachsen. Was halten Sie von Gästen, die in feinen Hotels in Shorts und Schlappen in der Lobby rumsitzen?
Ich mag keine Geschmacksrichter, aber man sollte mit seiner Bekleidung nicht das Bild zerstören, das man erleben möchte.

» Nichts ist in einem Hotel wichtiger als das Gefühl, willkommen zu sein.«

Auch in Tiefseetaucher (2004) besetzte Anderson Bill Murray, einen seiner Lieblingsschauspieler.
Wo geizen die Betreiber von Luxushotels?
Bei der Bezahlung ihrer Angestellten, fürchte ich.

Wo würden Sie als Hoteltester in Fünf-Sterne-Häusern nach Schwachstellen suchen?
Hinter der WC-Schüssel.

Wo fahren Sie mit dem Finger entlang, wenn Sie die Sauberkeit eines Zimmers prüfen sollten?
An der Fernbedienung des Fernsehers. Viele fühlen sich klebrig an oder weisen ominöse Flecken auf.

Was halten Sie davon, dass in der Bar einiger altehrwürdiger Hotels bis heute Krawattenzwang herrscht?
Ich finde Bräuche grundsätzlich sympathisch. Allerdings sollte das Hotel Leihkrawatten bereithalten für Gäste, die nichts von dieser Etikette-Regel wissen. Es hat mir immer gefallen, dass Hitchcock großen Wert darauf legte, dass seine Filmcrew im Anzug zur Arbeit erschien. Die Botschaft war: Wir nehmen es sehr ernst, was wir hier tun, und deshalb unterwerfen wir uns einem bestimmten Reglement.

Sie wählen die Nummer der Rezeption: Ab dem wievielten Klingeln denken Sie, ich bin in einem miesen Hotel gelandet?

Auch in sehr teuren Hotels kann es zur Nervenprobe werden, die Rezeption erreichen zu wollen, aber entscheidender für mich ist der Tonfall am anderen Ende der Leitung. Lieber nach dem zwanzigsten Klingeln einen freundlichen Menschen am Apparat haben als nach dreimal Klingeln einen, der mir mit seinem Tonfall zu verstehen gibt, dass er mich und meinen Wunsch für eine Zumutung hält. Nichts ist in einem Hotel wichtiger als das Gefühl, willkommen zu sein.

Wenn Sie sich beschweren wollen: Gehen Sie zur Rezeption oder tippen Sie einen Tweet ins Handy?
Ich bin nicht bei Twitter, deshalb bleibt mir nur der Weg zur Rezeption. Allerdings sage ich mir in den meisten Fällen, komm, lass es: Sich bei einem Menschen zu beschweren, der nichts für das Übel kann, ist unangenehmer als das Übel selbst. Ich schätze, so geht es den meisten von uns. Andernfalls würde an den Rezeptionen mehr Betrieb herrschen.

Haben Sie schon mal aus einem Hotel etwas mitgehen lassen?
Mir wäre beim Stehlen mulmig zumute, und dieses Gefühl mag ich nicht. Allerdings muss ich gestehen, dass ich vor ein paar Tagen doch etwas mitgenommen habe. Ich hatte für eine Zugfahrt Brezeln gekauft und fand in meinen Sachen nichts, um sie einzuwickeln. Also habe ich eine Leinenserviette mit Monogramm des Hotels genommen. Als ich im Zug die Brezeln auswickelte, war ich überzeugt, alle starren mich an und denken: So sieht also ein Typ aus, der in Hotels Servietten klaut.

Was fühlen Sie, wenn Sie in der Nachttischschublade eine Bibel entdecken?
Sie stört mich nicht, sie gibt mir aber auch nichts.

Legen Sie Wert darauf, morgens vor Ihrer Zimmertür Ihre Lieblingszeitung vorzufinden, oder ist das in Zeiten des iPads überflüssig geworden?
Ich mag gedruckte Zeitungen, besonders die International New York Times. Sie ist dünner und fokussierter als die New York Times.

Früher waren Kellner stumme Diener. Heute wird man am frühen Morgen mit der Frage konfrontiert, ob man gut geschlafen habe. Was halten Sie von dieser Art Zuwendung?
Sie ist einer der guten Gründe, nicht wie Nabokov 16 Jahre lang im Hotel zu frühstücken. Für gewöhnlich schlage ich mich schon morgens mit beunruhigenden Problemen herum, deshalb bin ich dankbar, wenn man mir gestattet, meinen Sorgen in aller Stille nachzuhängen.

Geben Sie Trinkgeld oder halten Sie das für einen lästigen Anachronismus?
Ich lege dem Zimmermädchen jeden Tag zehn Dollar hin. Der Gepäckträger bekommt von mir pro Gepäckstück fünf Dollar. Fairer wäre es, einen Umschlag mit Trinkgeld an der Rezeption abzugeben, weil dann auch die unsichtbaren Angestellten ihren Anteil bekämen.

Was finden Sie in Hotels überflüssig?
Telefone im Zimmer. Da wir alle mit unseren Handys telefonieren, würde ein Sprechknopf genügen, der einen mit der Rezeption verbindet. Ich finde es auch überflüssig, wenn beim Betreten meines Zimmers das Radio läuft. Wenn ich endlich die Fernbedienung zum Ausschalten des Fernsehers gefunden habe, mache ich mich daran, den Wust aus Zettelchen, Aufstellern und Prospekten vom Schreibtisch zu entfernen. Gibt es jemanden, der diesen Papierkram liest?

Was bevorzugen Sie: ein serviertes Frühstück à la carte oder ein Frühstücksbüfett?
In Deutschland bevorzuge ich ein Büfett, weil die Auswahlmöglichkeiten kaum zu übertreffen sind. Das Problem ist nur, dass ich mich überesse. Nach Bircher Müsli, Pfannkuchen, drei Eiern, Würstchen, Aufschnitt und Käse wünsche ich mir, ich hätte mich mit Porridge begnügt.

Wer ist der fähigste Concierge, mit dem Sie es zu tun hatten?
Martin Ballard vom »Claridge’s« in London und Michael Moser vom »Hotel Imperial« in Wien. Beide machen ihren Job seit dreißig Jahren. Es gibt kaum etwas, was die beiden nicht in Rekordzeit möglich machen können. Und der Concierge vom »Hotel Atlantic« in Hamburg ist so großartig, dass ich ihn gebeten habe, in unserem Film mitzuspielen.

The Grand Budapest Hotel wurde zum Teil in Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze gedreht. Das teuerste Hotel der Stadt heißt »Dreibeiniger Hund« und kostet inklusive Frühstück 73 Euro pro Nacht. Hat es Ihnen dort gefallen?
In diesem Hotel habe ich nie gewohnt. Als ich das erste Mal durch die Altstadt von Görlitz lief, fiel mir ein Barockgebäude mit einem wunderschönen Portal auf. So habe ich das »Hotel Börse« entdeckt. Nach einem Gespräch mit den Betreibern haben wir das Hotel komplett gemietet. Wir hatten sogar unseren eigenen Koch dabei.

Kurt Wachtveitl, der mehr als vierzig Jahre lang das »Hotel Oriental« in Bangkok geleitet hat, sagt: »Unsere thailändischen Angestellten lieben es, dem Gast eine Freude zu bereiten. Ein Deutscher ist anders. Er hat kein Problem, sich unter ein Auto zu legen und nach Stunden ölverschmiert wieder hervorzukommen. Aber sobald er jemandem einen Kaffee servieren soll, fühlt er sich versklavt.« Sind die Deutschen bedient, wenn’s ans Bedienen geht?
Nein, das widerspricht meinen Erfahrungen. Im »Hotel Börse« schlug uns überwältigende Fürsorge entgegen. Ich war so beeindruckt von den Mitarbeitern, dass ich dreien von ihnen eine Rolle gegeben habe. Der Concierge spielt mit, seine Frau und die Nachtmanagerin.

»Totos sind die Zukunft.«

In The Grand Budapest Hotel spielt der eher unbekannte Tony Revolori eine Hauptrolle, einen Pagen.

Was war Ihr bizarrstes Hotelerlebnis?
Ich habe in Japan mal in einem Ryokan übernachtet. Zur Tradition dieser Gasthäuser gehört es, dass der Gast am späten Nachmittag eincheckt, ein ausführliches Bad nimmt und dann ein Abendessen mit vielen Gängen serviert bekommt. Bedauerlicherweise wusste ich von alldem nichts. Als wir abends um halb elf ankamen, hatten die Angestellten seit Stunden auf uns gewartet. Wir konnten also unmöglich Nein sagen. Was normalerweise dreieinhalb Stunden dauert, absolvierten wir in fünfundvierzig Minuten. Ein ähnlich seltsames Erlebnis waren die Totos in japanischen Hotels. Das sind diese High-Tech-Toiletten mit beheizbarer Klobrille, Bidet- und Massagefunktion, Warmluftgebläse, Raumdeodorierer und eingebautem MP3-Player, der die Verdauungsgeräusche mit selbst gewählter Musik übertönt. Einige Modelle leuchten sogar im Dunkeln, sehr fancy. Totos sind die Zukunft.

Hätten Sie so ein Ding gern zu Hause?
Eher nicht. Gewisse Dinge soll man sich für besondere Anlässe aufsparen.

Das beste Buch, das in einem Hotel spielt?
Hotel Grand Babylon von Arnold Bennett, Der Zauberberg von Thomas Mann, auch wenn der Roman in einem Sanatorium spielt, Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau von Stefan Zweig und Hotel Bemelmans von Ludwig Bemelmans. Kennen Sie das Buch?

Nein.
Bemelmans wuchs in Meran und Regensburg auf und hatte einen Onkel, dem mehrere Hotels in Tirol gehörten. Wegen Aufsässigkeit wurde er mit 16 Jahren in die USA geschickt, wo er als Kellner im »Ritz-Carlton« arbeitete. Später machte er als Schriftsteller und Il-lustrator Karriere und gehörte zur New Yorker Gesellschaft. In seinem Roman beschreibt er mit wunderbaren Details, wie prosaisch es hinter den prächtigen Kulissen eines Grandhotels zugeht.

Der beste Film, der in einem Hotel spielt?
Menschen im Hotel von Edmund Goulding und Ärger im Paradies von Ernst Lubitsch. Gouldings Film war für mich sehr interessant: Er spielt ausschließlich in einem Hotel, aber der Zuschauer weiß bis zum Ende nicht, wie dieses Hotel von außen aussieht. Dieses Prinzip habe ich für unseren Film übernommen.

Sie haben einen Abschluss in Philosophie. Wie lautet der weiseste Satz über Hotels?

Ich habe während meines Studiums nicht den Eindruck gewonnen, dass die heutigen Philosophen sich mit Weisheit beschäftigen, deshalb zitiere ich einen Toten: Nietzsche meinte, es sei im Grunde völlig egal, wo man sich aufhalte, denn immer würde einem ein Hund mit dem Namen Ego folgen.

Sie müssen die letzten 24 Stunden Ihres Lebens in einem Hotel verbringen: Wo checken Sie ein?
Beim Sterben würde es mir nicht um Größe und Komfort meines Zimmers gehen. Mir wäre der Genius loci wichtig. Deshalb fände ich es schön, meine letzten Stunden in einem der Heritage Hotels im Himalaja zu verbringen. Ein wundervoller Platz zum Sterben ist das »Grace Hotel« in Dharamasala, ein zweihundert Jahre alter Landsitz, der einmal dem Premierminister von Kaschmir gehört hat. Der Blick über das Kangra-Tal und den Pongdam-See hat sich bei mir ins Gedächtnis eingebrannt wie kein zweites Naturpanorama.

Angenommen, Sie wachen in Ihrem Hotelbett auf, und neben Ihnen liegt eine tote Prostituierte: Was tun Sie?
Auf gar keinen Fall sofort zum Telefonhörer greifen. Um in so einer Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, ist es ratsam, eine fremde Persönlichkeit anzunehmen, wie ein Schauspieler, der in ein Rollenkorsett schlüpft. Man könnte zum Beispiel einen CSI-Forensiker spielen, der streng nach Protokoll vorgeht: Ist die Person tatsächlich tot oder ist ein Notarzt nötig? Bin ich in Lebensgefahr, weil der Täter noch im Raum ist? Wer hat ein Motiv, mir einen Mord unterzuschieben?

Gelingt es Ihnen, in Grenzsituationen zum Schauspieler zu werden?
Leider nein. Ich würde in meiner Panik die Nummer von Harvey Weinstein wählen und kreischen: »Harvey, ich bin gerade in einem Hotelbett in Rom aufgewacht, und neben mir liegt eine nackte Tote. Sag mir, was ich tun soll!« Harvey würde mit sonorer Bassstimme antworten: »Bleib ruhig, Junge. In zehn Minuten wird ein Mann
an deine Tür klopfen und sagen ›Hier ist Federico‹. Bis dahin sitzt du auf deinen Händen. Verstanden?« Harvey ist der Archetyp, den man in brenzligen Lagen braucht. Ihm würde es gelingen, dass man zwei Stunden später in einem Flugzeug in die USA sitzt – und zwar in der First Class.

Wes Anderson
Er ist einer der Großen in Hollywood: Produzent, Autor, Regisseur. Bekannt wurde er 2001 mit »The Royal Tenenbaums«, der ihm eine Oscar-Nominierung einbrachte. Sein neuer Film »The Grand Budapest Hotel« wird die Berlinale eröffnen. Anderson hat ihn in Görlitz und Babelsberg gedreht. Der Film spielt in den Zwanzigerjahren und erzählt die Geschichte von Gustave, dem Concierge eines berühmten Hotels. Neben den Hauptdarstellern Ralph Fiennes und Tony Revolori treten viele Gaststars auf, etwa Harvey Keitel, Jude Law und Tilda Swinton.

(Fotos: dpa,Promo)