Alles an ihm ist vage, ausgewaschen von der Geschichte. Es gibt keine Signatur auf seinen Werken, seine Biografie liegt im Dunkeln. Zehn Bilder konnten ihm anhand stilistischer Merkmale bis jetzt zugeordnet werden. Doch die zehn reichen, ein paar historische Gewissheiten zu erschüttern. In der Lombardei soll er gelebt haben, irgendwann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Fest steht: Malen konnte er, so lebensnah und meisterlich, dass man ihn leicht mit Caravaggio oder Velázquez verwechseln kann. Das Leben der Armen war sein Thema, was sehr revolutionär war zu einer Zeit, in der die Meister entweder Aristokraten oder Heilige malten. Noch viel irritierender für das heutige Auge aber sind die blauen Gewänder, die auf all seinen Bildern zu sehen sind. Sie lassen, nach allem, was man heute weiß, nur einen Schluss zu: Der norditalienische Mensch der Renaissance, zumal der arme, trug gern Blue Jeans. Und zwar in allen Variationen: tiefblau, zerrissen, ausgewaschen.
Damit ist erstmals auch bildlich dokumentiert: Die Jeans ist keine amerikanische Erfindung. Der Mythos vom Goldgräber in Denimhosen ist nicht mehr als die Verkaufslegende des Geschäftsmannes Levi Strauss. Als 1873 seine Nietenhosen patentiert wurden, waren Jeans schon mindestens 200 Jahre alt. Die Jeans, wie wir sie kennen, mag den Staub der Prärie, das Öl der Motorradgangs und den Schweiß der Rockstars – kurz, den Geist der Rebellion – in sich tragen, ihre DNA ist mediterran. Ihr Ursprung lässt sich etymologisch zurückführen auf zwei Orte: In England wurden Baumwollstoffe aus der mächtigen Textil- und Hafenstadt Genua bereits 1614 als Geanes bezeichnet. Später, im 18. Jahrhundert, stieg auch das französische Nîmes zum Baumwollzentrum auf. Das Gütesiegel de Nîmes verschmolz bald zum Schlagwort denim. Preiswert war er, dieser Stoff, robust. Und er ließ sich gut färben, zum Beispiel mit Indigo. Blau galt schon damals als Farbe des Arbeiters, kein Wunder also, dass die Jeans beliebt waren, vor allem in den unteren Schichten.
All das zeigen die Bilder des unbekannten lombardischen Künstlers, für den man den Namen »Meister der Blue Jeans« erfand, der viel zu prätentiös klingt für jemanden, der nicht mal eitel genug war, seine Werke zu signieren. Vor Kurzem waren sie in Ausstellungen in Paris und New York zu sehen, kuratiert von der Österreicherin Gerlinde Gruber: »Dieser Maler war ein großer Realist, der das Alltagsleben der einfachen Leute einfing. Damit war er thematisch seiner Zeit voraus«, sagt sie. Nicht nur er. Die Menschen auf seinen Bildern waren es auch.
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Galerie Canesso, Paris
Bilder: Galerie Canesso, Paris