Welche Musik hören Sie bei einem Roadtrip, Vladimir Jurowski?

Der Dirigent im Interview ohne Worte über russische Komponisten, die beste Hilfe gegen Weltschmerz, und darüber, wie eine Sinfonie von Mahler sein Leben verändert hat.

Geboren: 4. April 1972 in Moskau
Beruf: Dirigent
Ausbildung: Konservatorium Moskau, Musikhochschulen
Berlin und Dresden
Status: Im Zwiespalt

Am Morgen des 24. Februar wachte Vladimir Jurowski auf und sah zuerst die Nachricht: Russland hatte die Ukrai­ne angegriffen. Am Wochenende drauf sollte er mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ein Konzert geben, Tschaikowsky, Rubinstein, Smirnow. Darf man das noch, Werke von russischen Komponisten spielen? In den Wochen nach Kriegsbeginn diskutierte die deutsche Musikszene, ob sich russische Künstler öffentlich von ihrer Heimat distanzieren müssen und was denen droht, die das nicht tun.

Jurowski wurde 1972 in Moskau geboren, doch die Familie seiner Mutter stammt aus der Ukraine. Immer wieder fuhr er in den Ferien mit Eltern und Geschwistern dorthin. Ab 2011 leitete er für zehn Jahre das Staat­liche Akademische Sinfonieorchester Russlands. Als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (seit 2017) und Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München (seit 2021) hatte er vor, vor allem Werke russischer Komponisten zu spielen. Jurowski entschied sich gegen den Generalboykott russischer Musik und Künstler. An jenem ersten Konzertabend nach Kriegsbeginn aber stieg er aufs Pult und dirigierte – zuallererst, vor dem russischen Programm – die ukrainische Nationalhymne. Nun beginnt die neue Konzertsaison, der Krieg ist noch lange nicht vorbei.