Es gibt ein paar Monate im Jahr, in denen ich ein kleines Unternehmen führe. Es sind die Wochen von der Erdbeerernte bis zur Quittenzeit. Denn in dieser Zeit klingeln immer wieder schwer bepackte Verwandte an meiner Wohnungstür. Sie liefern kiloweise Früchte an. Schau mal, ich habe Kirschen gepflückt. Schau mal, die Johannisbeeren aus meinem Garten. Schau mal, zwei Taschen voller Quitten. Schönen Dank auch.
Ich bin die Einmachkaiserin in meiner Familie. Ich bin ja auch gut darin geworden mit den Jahren. Ich produziere schwungvoll etikettierte Marmeladengläser wie eine kleine Fabrik.
Nur wäre ich im Sommer gerne ein Oktopus mit acht Armen. Dann könnte ich einen benutzen, um die Zuckermasse im Topf stetig zu rühren, sodass sie nicht anbrennt. Zwei Arme bräuchte ich, um gleichzeitig die Gläser auszukochen. Einen Arm, um die Etiketten zu beschriften, einen, um sie auf die Gläser zu kleben. Zwei Arme, um den Schaum von der frischgekochten Marmelade abzuschöpfen und sie dann in die heißen Gläser zu gießen. Und den letzten freien Arm, um zeitgleich ein Glas kühlen Weißwein trinken zu können. Gegen diesen Stress.
Obwohl ich nur zwei Arme habe, schaffe ich es jedes Jahr, eine beachtliche Zahl an Marmeladengläsern zu füllen. Am Ende eines Sommers quillt mein Vorratsschrank über. Auf den Regalbrettern stapeln sich die Gläschen und Hebelflaschen: Erdbeermarmelade, Johannisbeergelee, Holunderblütensirup, Quittengelee und Kirschmarmelade.
Aber die Gläser stehen da nicht lange. Denn all meine Familienmitglieder, Freunde und wirklich entfernten Bekannten, die ich bestenfalls in der Fußgängerzone grüße, rechnen fest mit meiner Marmelade. Um nicht allzu unhöflich zu wirken, verklausulieren sie ihre Bestellungen. »Du, deine Kirschmarmelade letztes Jahr hat übrigens so himmlisch geschmeckt.« Ja, verstanden, ich weiß schon, worauf du hinauswillst. Bei meinem nächsten Besuch sollte ich also zwei Gläser für dich einpacken.
An sich stört mich das alles ja nicht. Ich koche gerne Früchte ein, irgendwie hat die Aufgabe sogar etwas Meditatives. Ich denke an nichts anderes als an die nächste Gelierprobe. Andere müssen für diesen Grad an geistiger Entspannung den Jakobsweg laufen. Und ich freue mich, dass den Leuten meine Marmelade so schmeckt.
Was mich hingegen stört, ist die Reaktion auf meine Marmeladengläser. Früher haben sich die Leute überschwänglich bedankt. Aber je mehr Falten ich im Gesicht habe, desto kleiner fällt auch das Dankeschön aus.
Es ist ein Muster, das ich immer wieder beobachte. Als junge Frau einen Kuchen als Gastgeschenk mitbringen: Du bist toll, danke! Als alte Frau: Ah, du hast mal wieder gebacken?!
Manche Aufgaben werden von der Gesellschaft bei alten Menschen nicht mehr als solche wahrgenommen. Es sind Dinge, die ältere Frauen in den Augen vieler anscheinend einfach tun. Ältere Frauen backen und kochen halt viel, da fällt schon mal was ab. Nicht der Rede wert. »That’s what old ladies do«, wie meine Enkelin trocken zusammenfasste, als ich ihr meinen Ärger erklärte.
Aber Omas sind keine Marmeladen-, Geburtstagskuchen und Nusstängchen-Fabriken. Wenn ich mich in die Küche stelle, ist es für mich die gleiche Arbeit wie für eine jungen Menschen.
Deswegen an dieser Stelle ein Aufruf an alle, die von marmeladenkochenden Omas oder Opas profitieren: Bedankt euch für das nächste Glas Himbeermarmelade bitte genau so, wie ihr euch bei einem Freund in eurem Alter bedanken würdet, wenn er etwas für euch einkocht. Glaubt mir, eure Großeltern werden sich freuen.
Und ich muss meine öffentlichkeitswirksame Kolumne noch für einen anderen Aufruf nutzen: Liebe Familie, Freunde und Bekannte. Bringt mir bitte die leeren Gläser zurück. Sonst hat die Firma Grossmann nächstes Jahr Lieferschwierigkeiten.