Schluss mit der Wegwerfmode

Unsere Senioren-Kolumnistin findet die aktuellen Modetrends optisch sehr schön. Aber sie hat ein ganz anderes Problem damit.

Illustration: Nishant Choksi

Ich schrumpfe. Manche denken vielleicht, das ist nur ein Vorurteil über das Altwerden. Aber es stimmt. Ein paar Zentimeter Körpergröße sind schon weg. Das zeigt das Maßband – und das zeigen auch meine Sommerklamotten.

Wenn es warm ist, trage ich am liebsten Marlene-Hosen aus Leinen. Denn sie haben einen großen Vorteil: Selbst, wenn ich nach dem Freibad mit nassen, verstrubbelten Haaren nach Hause laufe, sehe ich dank der Hosen noch einigermaßen elegant aus. Aber weil ich immer kleiner werde, reichen sie mir in diesem Jahr bis über die Ferse.

Ich bin keine junge Frau mehr, die bei jedem Trend mitmachen muss. Die Ruhe des Alters zahlt sich manchmal aus. Manche jungen Frauen schneiden ihre Hosen einfach ab und lassen die Fransen unten stehen. Aber ich bin zu alt für Fransen. Also werde ich sie zur Schneiderin bringen.

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Das Vorurteil, dass alte Menschen über Modetrends schimpfen, nervt mich trotzdem. Denn ich finde, dass sich viele junge Frauen wirklich gut anziehen. Natürlich habe ich das meiste davon schon gesehen. Plisseeröcke trug ich bei meinen ersten Auftritten als Schauspielerin in den 60er Jahren. Den Faltenrock, mit dem meine Tochter in den 70er Jahren zur Schule ging, zieht jetzt meine Enkelin an. Und die Pilotenbrille, die mein Mann in den 80er Jahren auf der Nase hatte, wäre jetzt auch sehr begehrt. Aber das ist doch nicht schlimm. Mode bestand schon immer aus Wiederholung. Und jede Generation hat das Recht, Dinge für sich neu zu entdecken.

Wenn ich durch die Filialen einiger Modeketten laufe, stört mich etwas ganz anderes: die Qualität der dort angebotenen Sachen. Viele Teile sind darauf ausgelegt, dass die Kunden sie nach einer Saison wieder ausmisten müssen. Weil sie billig sein müssen. Weil schnell wieder etwas Neues in den Läden hängen soll. Und das alles zu Lasten der armen Menschen, die sie produzieren müssen.

Ich mag diesen Wegwerfkonsum nicht. Deswegen muss ich an dieser Stelle kurz die Früher-war-alles-besser-Keule hervorholen. Und zwar mit der Aussage: Früher waren Klamotten noch so gut genäht, dass man sie ein paar Mal ändern lassen und so an die aktuellen Trends anpassen konnte. Deswegen trug man sie auch viel länger.

In meiner Jugend hatte ich ein Kleid für besondere Anlässe. Aber wenn man die Fotos meiner Teenagerjahre durchschaut, würde man niemals darauf kommen. Denn das Kleid sah zu jedem Anlass anders aus. Immer wenn ein Fest anstand, durfte ich es zu der Schneiderin bringen, die Modezeitschriften mit französischen Schnitttrends auf dem Wartetisch liegen hatte. Ich überredete sie, dass sie den Saum etwas kürzer schnitt, als meine Mutter es eigentlich vorgesehen hatte. Auf jeden Fall schrumpfte es mit den Jahren von einem Kleid mit Stehkragen und wadenlangem Rock zu einem schulterfreien Cocktailkleid. Es saß immer perfekt.

Das würde mit den Kleidern aus Polyester, die aktuell in einigen Läden hängen, einfach nicht mehr gehen. Übrigens riechen die Menschen auch erst so penetrant nach Schweiß, seitdem sie Plastikfasern tragen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Aber jetzt höre ich mal auf, die Vergangenheit zu romantisieren. Schließlich gibt es auch heute Trends, die der Wegwerfkultur entgegenwirken. Dieser Hang zu Second-Hand-Klamotten, zum Beispiel. Ich sehe auf den Straßen momentan alte Adidas-Trainingsjacken, wie ich sie früher nach dem Sport trug. Und meine Enkelin hat mir erzählt, dass junge Frauen in Vintage-Läden nach gebrauchten Levis-Jeans suchen, die Hosenbeine abschneiden und sie dann als kurze Hose tragen. Irgendwie tröstlich, oder?