Schön böse

Wie wird man nur mit dem Griff in den Kleiderschrank (und etwas Schminke) vom braven Mädchen zum Bad Girl? Die Sängerin Taylor Swift zeigt es in ihrem neuen Video.

30 Millionen Abrufe in den ersten 24 Stunden. Wahrscheinlich schauen sich die Wahlkampfstrategen von CDU bis Grünen gerade Taylor Swifts Video zum neuen Song »Look what you made me do« in der Dauerschleife an, um zu analysieren, wie man heutzutage so eine richtig große Kampagne fährt, die alle Rekorde bricht. Was kann man also von Swift lernen?

Zum Beispiel 1) möglichst viel gegen die Konkurrenz treten, damit kennen sich Politiker eh aus. Oder 2) überraschend alle Social-Media-Kanäle kappen, um sie Tage später neu hochzufahren. Digitales Phönix-aus-der-Asche-Steigen. Die FDP übt wahrscheinlich schon am Partei-Server.

»Reputation« heißt das dazugehörige Album der Sängerin, das im November erscheint. Ein Verweis auf ihren guten Ruf, der Swifts Meinung nach von Leuten wie Kanye West und Kim Kardashian beschmutzt wurde. Seit Tagen wird zwischen den Zeilen des Songtextes so aufwendig entschlüsselt wie zuletzt im Zweiten Weltkrieg bei Enigma. BIsherige Erkenntnisse: Die gute alte »Tay Tay« ist tot, das wird im Video mit Grabstein und Zombie hinlänglich demonstriert, die neue Taylor dagegen ist stärker, böser, dunkler, cooler als je zuvor – was optisch dann leider: uralt aussieht.

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Statt wie früher mit Ballerina-Tutu, Nerd-Brille, hübscher Glitzerrobe und dem seitlich einbetonierten Pony tritt die Payback-Time-Taylor jetzt mit Lack und Leder, Nietenkappe, dunklem Lippenstift und prada-esk zurückgegelten Haaren auf. Derart einfache Gut-Böse-Kennzeichnungen sind zwar auf Gebrüder-Grimm-Niveau, aber auf der großen Bühne funktioniert die einfache Zeichensprache eben am besten, weil jeder sie lesen kann – und immer wieder drauf reinfällt.

In wissenschaftlichen Untersuchungen behaupten Männer stets, die Farbe eines Kleides habe für sie überhaupt keinen Einfluss auf die Attraktivität einer Frau, um am Ende die in Rot doch wieder besonders sexy zu finden. Überflüssig zu erwähnen, welche Farbe Swifts Balmain-Kleid in einer Schlüsselszene des Musikvideos hat.

Auch Taylor Swifts Schuhwerk ist so erwartbar wie effektiv: Overkneestiefel in allen Variationen. Dieses Accessoire hat eine erstaunliche Karriere in der Mode der letzten dreißig Jahre hingelegt, vom Pretty-Woman-Straßenstrich-Accessoire über High-Fashion-Laufstege bis in die Regale von Deichmann. Und immer, wenn man denkt, das Thema sei jetzt wirklich durch, kniet sich die Mode von Neuem rein, zuletzt der Designer Demna Gvasalia für Balenciaga, dessen knallpinkes Modell Swift hier vermutlich auch trägt.

Immerhin transportiert Swifts Garderobe zwischen den Nähten auch noch weniger Offensichtliches. Der Schlangenring, der im Video gleich mehrfach zu sehen ist und den es bereits auf taylorswift.com für 60 Dollar zu kaufen gibt? Ist quasi ein Mittelfingerzeig an Kim Kardashian, die Swift auf Instagram mit einem »Snake-Emoji« bedacht hatte. Und auf dem Albumcover ist Swift in einem grauen Sweatshirt mit Löchern zu sehen: »Distressed Look« heißt das im Modejargon, was so viel wie »mitgenommen« bedeutet, also perfekt zu diesem ach-so-gebeutelten Mädchen passt. Auf Twitter wurde sofort spekuliert, ob der Pullover aus der Yeezy-Kollektion von Erzfeind Kanye West stammen könnte, wo es ebenfalls gern löchrig und geflickt zugeht.

Das hätte Größe gehabt. Wenn alle einen für das dumme Schaf halten, sich in den Wolfspelz zu schmeißen und dazu einen »Choker« um den Hals zu legen, was zu deutsch schließlich so viel wie »würgen« heißt. Letztlich stammt der Pullover allerdings von Pinko, einer mittelpreisigen italienischen Marke. Und vielleicht gibt es in diesem Fall doch keinen Subtext.

Das sagt die Friseurin: »Ich kenne da ein sehr gutes Pflegemittel gegen fettige Haare.«
Die passende Musik zum Thema: »Bad« von Michael Jackson und »Good Girl Gone Bad« von Rihanna

Foto: Screenshot