Von Ost-Uhren, Fertighäusern und Max Frisch

Ostdeutsche Zeitrechnung, Häuslebauer Daniel Libeskind und Jil Sanders Rückkehr - was uns diese Woche begeistert hat.

    Uhren: Bleierne Zeit
    Zwanzig Jahre lang wurde der Osten durchrenoviert, nun ergraut er wieder - auf dem Zifferblatt. Zum Wendejubiläum präsentieren die Uhrmacher von Nomos aus Glashütte eine zwanzigteilige Sonderkollektion, bei der jede Uhr im Grauton einer DDR-Stadt zu Honeckers Zeiten gehalten ist, von Weimar bis Wurzen. Unterschied: Einen Fluchtreflex lösen die Uhren nicht aus.

    Design: Libeskinds Fertighaus
    Die Jüdischen Museen in Berlin und Kopenhagen gelten als revolutionäre Bauten. Darum wird Daniel Libeskind, der sie entworfen hat, im kommenden Jahr die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen. Als Begründung sagte der Deutsche Koordinierungsrat: »Immer gelingt es Libeskind, durch die inspirierende Räumlichkeit seiner Arbeiten einen Dialog zwischen Architektur und Geschichte der Juden herzustellen, dem man sich nicht entziehen kann.« Nun hat Libeskind auch eine »Fertigvilla« entworfen, die als Prototyp im westfälischen Datteln bestaunt werden kann. Auch hier ist wie fast immer in seinen Bauten alles spitz und schief und ästhetisch radikal. Das einzige Zugeständnis an normalen Wohnkomfort: Die Villa gibt's nicht nur im kargen »Libeskind Style«, sondern auch im »Casual Style« - mit Parkettboden. Das Haus hat 515 Quadratmeter Wohnfläche, allein die Küchenhalle ist 100 Quadratmeter groß; auch für Weinkeller, Sauna und einen vier Meter langen Duschraum ist noch Platz. Der Preis: zwei bis drei Millionen Euro; um den Käufern bei diesem Preis Exklusivität zuzusichern, soll das Haus höchstens dreißig Mal gebaut werden. Die Frage wird bleiben: Kann man darin wirklich wohnen? Erste Eindrücke unter: www.folge-der-idee.de/Libeskind-Villa

    Meistgelesen diese Woche:

    Wörterbuch
    »Ypsilanti-Situation«: Politischer Begriff, der die peinliche Lage beschreibt, bei Ministerpräsidentenwahlen mit dünnen Mehrheiten von den eigenen Leuten im Stich gelassen zu werden. Sie kann sich zu einem großen Stolperstein für Karrieren erweisen (Andrea Ypsilanti, 2008) oder gar das politische Aus bedeuten (Heide Simonis, 2005). Die Y. ist deshalb so gefürchtet, weil sie einen irreversiblen Gesichtsverlust mit sich bringt. Erstmals öffentlich verwendet wurde der Begriff von Bodo Ramelow am 10.09.2009 in der FAZ, der angesichts der knappen Mehrheiten im thüringischen Landtag warnte: »Die Regierung darf in keine Ypsilanti-Situation kommen.«

    Buch: Unbekannter Frisch
    Oder ob sie das schon Leben nenne, fragt er, wenn man seinen Bart und seine Fingernägel wachsen sehe?

    Eine Bergbesteigung als biografische Zäsur: Seit Petrarca kehrt
    dieses Motiv in der Literatur regelmäßig wieder. In Max Frischs zweitem Buch, der Erzählung Antwort aus der Stille von 1937, überwindet der Held eine Gebirgswand - und seine Lebenskrise. Ein Grundmotiv Frischs - die
    Frage, wie sich der Mensch seine eigene Biografie konstruiert - scheint hier bereits auf, die Sprache ist von der Eleganz späterer Texte allerdings noch entfernt. Vor vierzig Jahren untersagte Frisch die Aufnahme der Erzählung in seine gesammelten Werke. Jetzt wird sie endlich wiederveröffentlicht.

    Mode: Jil Sander
    Als sich Jil Sander von ihrem eigenen Label trennte - im Groll -, glaubten viele, sie sei für die Modewelt verloren - jetzt ist sie zurück! Ab Oktober kommt die Kollektion +J der "Queen of less" in die Läden. Entworfen hat Sander sie für den japanischen Konzern Uniqlo, bei dem man ungefähr so viel zahlt wie bei Zara. Das gesparte Geld braucht man allerdings für den Trip nach London oder Paris, in Deutschland gibt es die Sachen nämlich noch nicht.