Ehrenrettung für den Ententanz

Für die ungewöhnliche Art, wie er sich im Zug vor Viren schützt, wurde unser Kolumnist früher verspottet. Nun findet er bereits erste Nachahmer.

Illustration: Nishant Choksi

Ein Freund, der in Nordrhein-Westfalen wohnt, und zwar gar nicht weit vom Hochrisikogebiet Heinsberg entfernt, schrieb mir vergangene Woche aufgebracht: »Den gesamten Tag auf der Arbeit gebe ich niemandem die Hand und wasche mir ständig die Flossen – und dann kommt die Fahrkartenkontrolle im Zug, jeder zückt seine Chipkarte und der Kontrolleur packt jede an. Der Zugbegleiter als Viren-Superspreader!« Zumindest diese Sorge ist er nun los. Die Deutsche Bahn stellt zum Schutz ihrer Mitarbeiter und der Fahrgäste die Fahrkarten-Kontrollen im Regionalverkehr ein, also auch die seines Jobtickets.

Für den Fernverkehr, wo das offiziell noch nicht der Fall ist, kann man nur raten, Handy-Tickets zu kaufen oder sein Online-Ticket aufs Handy zu laden, um unnötige Berührungen zu vermeiden. Leider gab es zumindest bislang oft Zugbegleiter, die einem ungefragt auch mal das Handy aus der Hand nahmen oder auf dem Bildschirm herum tatschten. Vielleicht hört das nun endlich auf. Falls es doch passiert, würde ich mein Handy mit Desinfektionsmittel (falls vorhanden) oder Seifenlösung abwischen (ohnehin eine gute Idee, dies regelmäßig zu tun).

Die große Frage ist natürlich, ob man in Zeiten wie diesen überhaupt noch Bahn fahren sollte? Viele reduzieren aus eigenem Antrieb ihre Bahnfahrten oder lassen sie ganz bleiben, allerdings gibt es ja weiterhin viele gute Gründe für Bahnreisen – die Heimfahrt vom Urlaubsort, die Fahrt zur Arbeit oder zu unterstützungsbedürftigen Personen, von den vielen »systemrelevante« Personen - medizinisches Personal, Polizisten etc. – ganz zu schweigen, die darauf angewiesen sind, mit dem Zug zur Arbeit zu gelangen. DB-Chef Richard Lutz versichert, die Bahn werde ihren »Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft leisten und den Bahnbetrieb so lange und so gut wie möglich aufrechterhalten«. Die Bahn dementierte gestern auch, dass sie Verbindungen im Regionalverkehr streichen wolle.

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Und so lange gefahren wird, gibt es neben Bahncard (auch sie kann man übrigens einfach aufs Handy laden und somit unnötigen Keimaustausch vermeiden) und Ticket noch genügend weitere Keimfallen im Zug. Axel Hacke hat in seiner vergangenen Kolumne die Frage nach dem richtigen Öffnen einer Klotür gestellt – das Problem besteht darin, dass man nach dem Händewaschen an der Klinke und am Verschlussmechanismus wieder Erreger mitnehmen kann. Zumindest für die Toilettentür im ICE habe ich die Lösung. Nach dem Händewaschen nehme man ein frisches Papierhandtuch, öffne damit die Tür – wobei man nur mit dessen Unterseite die potenziell kontaminierten Flächen berührt. Mit dem gleichen Tuch und dessen gleicher Seite, schließe man wieder die Tür von außen, trage das Papierhandtuch bis zum in direkter Nachbarschaft befindlichen Mülleimer. Diesen öffne man jetzt mit dem Ellbogen und entsorge das Papierhandtuch – fertig.

Ich mache diese Stunts seit langem und musste mir deshalb schon viel Spott gefallen lassen. Mein Freund Achim kommentierte meinen Ellbogen-Einsatz beim Öffnen von Türen und Mülleimern mit: »Bekloppt – du siehst aus, als ob du im ewigen Ententanz durchs Leben gehst«. Einmal stand ein kleines Mädchen im Zug hinter mir und sagte: »Guck mal, Mama, ein Psycho!« Damals schwieg die Mutter verschämt. Aber vielleicht, das hoffe ich, würde sie heute sagen: »Guck mal, Mama, ein Herr, der sich bemüht, nicht unnötig Krankheitserreger zu verteilen.« Die Zeiten ändern sich, Achim zumindest macht seit neustem auch diese Ententanz-Nummer.