Die Gewissensfrage

»Ich bekomme häufig Päckchen. Da ich tagsüber nicht zu Hause bin, muss ich sie in der weit entfernten Hauptpost abholen, dort lang anstehen – dauert insgesamt eine Stunde. Jetzt gibt es einen neuen Service der Post, bei dem man seine Pakete rund um die Uhr an einer ›Packstation‹ abholen kann. Sehr praktisch, aber womöglich hat die Post damit einen Arbeitsplatz eingespart. Was soll ich tun? Weiterhin den Umweg zur Hauptpost machen und damit Jobs sichern oder die ›Packstation‹ nutzen?« SUSANNE T., MÜNCHEN

Noch besser wäre es natürlich, nicht mit dem Auto zur Hauptpost zu fahren, sondern sich mit der Sänfte dorthin tragen zu lassen, das schafft zwei zusätzliche Arbeitsplätze; wenn Sie stattdessen mit dem Taxi fahren, wenigstens einen.Doch im Ernst: Zunächst verlagert die Packstation Arbeit auf den Kunden. Wenn die Post Ihr Päckchen nicht zu Ihnen nach Hause bringt, sondern Sie es sich abholen, übernehmen Sie einen Teil des Transportauftrags – wofür Ihnen eigentlich ein Rabatt zustünde. Derartige Aktionen sollte man stets kritisch hinterfragen: nicht dass Sie am Ende den Absender in einer Postfiliale zur Übergabe treffen und dafür Porto zahlen müssen. Und natürlich ist es gut, Arbeitsplätze zu erhalten. Aber unabhängig von denkbaren betriebswirtschaftlichen Aspekten nur dort, wo aus dem Arbeitsplatz ein wie auch immer gearteter Nutzen entsteht. Was ergeben diese Überlegungen hier? Die Idee, ein Paket standardmäßig in die Wohnung zu liefern, basiert auf der Annahme, dass es auch jemand entgegennehmen kann, und damit auf teilweise überholten Vorstellungen von der Art, wie die Leute ihre Zeit verbringen. Wenn bei Ihnen tagsüber niemand zu Hause ist, in Städten wie München mit über fünfzig Prozent Singlehaushalten übrigens der Regelfall, fährt der Paketzusteller die entsprechenden Sendungen lediglich durch die Gegend, bis sie am Abend wieder in der Auslieferungsstelle landen, und Sie am nächsten Tag dieselbe Tour in umgekehrter Richtung machen. Solange die Packstationen nicht flächendeckend die Zustellung abschaffen sollen, dienen sie also weniger einer vielleicht fragwürdigen Rationalisierung, sondern stellen, speziell in Großstädten, eine vernünftige Anpassung an neue Lebensbedingungen dar. Wenn Sie Arbeitsplätze erhalten wollen, kaufen Sie lieber gute, handwerklich erzeugte Produkte oder nehmen Sie sinnvolle Dienstleistungen in Anspruch, die einen Gewinn für Ihr Leben abwerfen. Da haben Sie und die Beschäftigten mehr davon.