Um es gleich vorweg zu sagen: Eine allgemeingültige Empfehlung kann ich Ihnen nicht geben; trotz persönlicher Sympathie für vegetarische Ernährung erachte ich die Frage, ob und welche Tiere man isst, bei artgerechter Haltung für ein Problem der individuellen Einstellung: In Indien gelten Kühe als heilig, in Argentinien als Hauptnahrungsmittel. Manche Religionen sehen in Schweinebraten eine Sünde, Bayern ist er eine solche wert. Das alles betrifft mehr Traditionen denn Wahrheiten. Auch Ihr Mitleid scheint mir kein Hindernis. Meiner Ansicht nach muss man kein Tier töten können, wenn man Fleisch essen will. Schließlich darf sich auch derjenige am Blinddarm operieren lassen, der kein Blut sehen kann. Ein weiterer Aspekt entspringt der Theorie: Vermutlich unbewusst haben Sie nach Kriterien des Utilitarismus entschieden, welchen der englische Philosoph Jeremy Bentham so definierte: »Unter dem Prinzip der Nützlichkeit ist jenes Prinzip zu verstehen, das schlechthin jede Handlung in dem Maß billigt oder missbilligt, wie ihr die Tendenz innezuwohnen scheint, das Glück der Gruppe, deren Interesse in Frage steht, zu vermehren oder zu verhindern.« Bentham, der ausdrücklich auch Tiere mit berücksichtigen wollte, versuchte, dafür detaillierte Regeln zu formulieren; Freude und Leid seien nach Intensität, Dauer, Gewissheit, Nähe, Ausmaß und weiterem zu bewerten und mit der Anzahl der Betroffenen zu multiplizieren. Sie haben in diesem Sinne nach Ihrem Gefühl versucht, möglichst wenig Unglück zu produzieren, dabei blieben Fragen offen: Darf man ein Leben gegen zwei aufrechnen? Wie wird gerechnet, nicht nur bei Hühnern, Schafen, Ziegen? Dass er derartige Probleme aufwirft, ist einer der Hauptkritikpunkte am Utilitarismus, das spricht aber nicht unbedingt gegen Ihre Entscheidung in diesem Fall – wie immer sie auch ausfiel.
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