Warum heiße Schokolade eine Mahlzeit ist

Marie-Antoinette trank vor ihrem Tod durch die Guillotine noch eine Tasse heiße Schokolade. Man kann das als Gütesiegel verstehen.

Foto: Maurizio Di Iorio

Bei wenigen Getränken stimmt so viel wie bei heißer Schokolade. Der Geschmack. Die Konsistenz, die Schaum sein kann, Sauce oder Creme. Und nicht zu vergessen: die Dinge, die man damit verbindet. Kaum ein Kinderbuch kommt ohne die Szene aus, in der jemand von einem Abenteuer nach Hause kommt, und eine Mutter oder ein Großvater reicht eine Tasse heißen Kakao. Schokolade zum Trinken wärmt und tröstet, sie ist süß und saftig. Wäre sie ein Lebewesen, dann wäre sie etwas zwischen einem Koalabären, Cate Blanchett und Hermine aus Harry Potter.

Seltsamerweise ist nichts davon zu bemerken, wenn man an einem Wintertag mal eine Tasse heißen Kakao trinken möchte. Man bekommt oft nur lauwarme Milch und ein Päckchen Instantpulver hingestellt. Meistens läuft der Kakao gleich aus dem Espresso-Vollautomaten. Keine Spur von dem Aufwand, den die Menschen jahrhundertelang betrieben haben, wenn es um heiße Schokolade ging, von den Techniken, die sie entwickelt haben, um sie immer noch cremiger, süßer und toller zu machen. Die Kannen, die dafür gestaltet wurden. Oder diese speziellen Untertassen mit einer Halterung aus Porzellan in der Mitte, damit einem der Kakao nicht aus der Hand rutschte, wenn man ihn morgens ans Bett serviert bekam. Man kann die Tassen in den Vitrinen mancher Kunstmuseen sehen. »Trembleuses« hießen sie. Heute gibt es keine Zittertassen mehr und meistens überhaupt keine Schokolade morgens ans Bett. Warum, ist klar. Heiße Schokolade hat unfassbar viele Kalorien, sie ist kein Smart Food und selten vegan. Die Kakaobohnen sind ein Problem, weil sie von weither eingeführt werden und oft unter miesesten Bedingungen geerntet und verarbeitet wurden. Heiße Schokolade ist nicht zeitgemäß und hat ein schweres Imageproblem. Sie ist die Braunkohle unter den Getränken.

Und dann hat der Kakao auch noch Marie-Antoinette als Fürsprecherin. Die Frau, die Luxus liebte, lebte und herzeigte. Heute wäre Marie-Antoinette eine Top-Influencerin, ihre Bilder würden auf Instagram rauf und runter laufen. Der Spruch »Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen« stammt zwar entgegen früheren Behauptungen nicht von ihr, war aber so etwas wie das erste große Meme der Geschichte. Und wirkt bis heute. Wenn die Deutsche Bahn streikt, wird Friedrich Merz in den sozialen Medien der Satz in den Mund gelegt: »Wenn keine Bahn fährt, dann fliegt doch zur Arbeit.« Marie-Antoinette jedenfalls hatte einen eigenen Schokoladenmeister und sie zog ihren Lifestyle bis zuletzt durch: Als Henkersmahlzeit bestellte sie heiße Schokolade.

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Und was heißt das für uns? Bei der Frage, was man sich gönnen darf und was man lassen muss, ist man schnell beim Thema Luxus. Am besten erklärt man all die Dinge, auf die man nicht verzichten will, zum Luxus. Man verwöhnt sich, und das darf was kosten. Schokolade zum Trinken ist dann ein Luxus, den man sorgfältig zubereitet oder sich zubereiten lässt (viel rühren und ein bisschen Speisestärke dazu!). Dabei achtet man auf die besten Zutaten, nämlich Bio-Milch und fair gehandelten Kakao aus ökologischem Anbau. Man sollte heiße Schokolade gar nicht als Getränk sehen, sondern als Mahlzeit. Eine süße Suppe, die für sich selbst steht. Marie-Antoinette hatte ihre Schokolade am liebsten mit Vanille, Orangenblüten und geriebenen Mandeln.