»Mein 60 Jahre alter großer Bruder verglich Corona in einem Telefonat mit einer normalen Grippe, HIV, Krebs. Die Sterberate sei statistisch nicht viel höher als in normalen Jahren, die Maske sinnlos. Weitere für Conona-Leugner übliche Argumente folgten, Impfzwang etc. Da ich es nicht fassen konnte und meine Argumente über die Gefährlichkeit des Virus mitsamt Statistiken und Zahlen niedergemetzelt wurden, habe ich das Gespräch abgebrochen. Ich bin bestimmt nicht der Einzige, der gerade mit Nahestehenden diese Diskussion führt. Bin ich verpflichtet, meinen Bruder von seinem Weg abzubringen, auch um mir später keine Vorwürfe machen zu müssen, falls er selbst an Corona schwer erkrankt?« Marcus K., Weinstadt
Ist es nicht interessant, wie unterschiedlich Menschen auf eine Pandemie reagieren? Manche können mit den Ungewissheiten, die sie mit sich bringt, wie wir nun alle wissen, nicht gut umgehen. Und ich meine jetzt auch Menschen, die gar nicht so wahnsinnig existenziell getroffen sind. Sie brauchen Schuldige, auf die sie mit den Fingern zeigen können, oder klammern sich an irgendwas, das für sie angenehm klingt, um sich weniger bedroht oder ohnmächtig zu fühlen. Ich kann damit nicht gut umgehen, muss ich ganz ehrlich sagen. Sobald jemand mir gegenüber den Sinn von Impfungen infrage stellt, um nur ein Beispiel zu nennen, ziehe ich innerlich den Kopf ein und warte, bis das Thema durch ist, um diese Person dann, wenn möglich, in nächster Zeit eher nicht mehr ganz so oft zu sehen. Denn leider bin ich nicht gut im Diskutieren. Zumal diejenigen, die einen so irrsinnig gerne über die Wahrheit zu Covid-19 aufklären, ja auch Argumente aufgeschnappt haben, gegen die man nicht ankommt, weil sie ab einem gewissen Zeitpunkt einer anderen Logik folgen. Eine Freundin von mir glaubt, das ganze Problem liegt darin, dass viele exponentielles Wachstum nicht verstehen.
Sie werden Ihren Bruder nicht von seinen Überzeugungen abbringen können. Ab einem gewissen Stadium sind solche Menschen vernünftigen Argumenten nicht mehr zugänglich. Und Sie haben es ja versucht. Er weiß also, was Sie denken. Mehr können Sie leider nicht tun. In meinem Bekanntenkreis gibt es in mehreren Familien-Mitglieder, die entweder völlig abgedriftet sind oder gerade abdriften. Vielleicht werden sie wieder normal, wenn die Katastrophe gebannt ist? Wir anderen können unterdessen nur versuchen, so gelassen und elegant wie möglich von Tag zu Tag zu Tag zu kommen. Schwer genug. Alles Gute für Sie – und für Ihren Bruder.