Petzen oder schweigen?

Die Putzhilfe unserer Leserin schummelt bei der Abrechnung ihrer Stunden. Sollte sie dem Arbeitgeber das Fehlverhalten melden oder es ignorieren?

Illustration: Serge Bloch

»Nach einer Operation beschäftigte ich für drei Monate über eine Gebäudereinigungsfirma eine Putzhilfe für drei Stunden wöchentlich – zu meiner großen Zufriedenheit. Allerdings stellte ich fest, dass sie auf dem Abrechnungsformular ihrer Firma ihre Putzzeiten um eine halbe Stunde verlängerte. Ich wollte sie nicht anschwärzen, ihr aber sagen, dass ich es bemerkt habe und sie bei anderen Arbeitgebern eventuell auf nicht so viel Verständnis stoßen würde. Mein Mann meint, ich solle das Fehlverhalten einfach ignorieren.« Christa S., per Mail

Die meisten Menschen arbeiten nicht stundenweise für eine Gebäudereinigungsfirma, die sie an Haushalte vermittelt, weil sie sich das für ihr Leben erträumt haben. Natürlich, es gibt Ausnahmen. Man denke nur an den großartigen und sehr lustigen amerikanischen Schriftsteller David Sedaris, der so wahnsinnig gerne putzt, dass er aus purer Leidenschaft früher als Putzmann gejobbt hat. Heute verbringt er weite Teile seiner Freizeit damit, den englischen Landstrich, in dem er heute wohnt, Horsham District Council in West Sussex, von Unrat zu befreien. Freiwillig. Er zieht nachmittags oder abends mit Stirnlampe los und sammelt Dinge vom Straßenrand, die Leute aus fahrenden Autos geschmissen haben. Plastikflaschen, Dosen, Zigarettenschachteln. Er sammelt stundenlang. Er wurde deswegen schon von der Queen eingeladen, und es wurde ein Müllwagen nach ihm benannt.

Aber wie gesagt, es dürfte sich hier um eine Ausnahme handeln. In der Regel räumen eher Menschen den Dreck anderer Menschen weg, bei denen sonst ein paar Sachen nicht geklappt haben. Es ist kein Traumjob, meine ich. Wer putzen geht, hat es vielleicht nicht immer ganz leicht gehabt. Ich kann Ihnen deshalb leider nicht den Gefallen tun, Sie für Ihren ursprünglichen Plan zu loben. Klar, die Frau hat gemogelt. Aber sie darauf anzusprechen, und zwar mit dem Hinweis, dass man das nicht melden werde, hätte etwas Unangenehmes. Da erteilt man jemandem von oben herab eine Lektion. Und erzwingt auch noch Dankbarkeit. Ich ver­stehe schon, Sie wollen sich nicht für dumm verkaufen lassen. Aber da stehen Sie doch drüber. Vielleicht helfen ihr die paar Euro mehr. Vielleicht fliegt sie beim nächsten Arbeitgeber auf die Nase. Ich sehe das wie Ihr Mann, einfach ignorieren. Seien Sie großzügig, atmen Sie tief in den Bauch, denken Sie innerlich: Ommm.