Verheiratet mit der Sucht

Eine Leserin fragt: Was tun, wenn der Partner das Handy nicht mehr aus der Hand legen kann? Unsere Kolumnistin weiß Rat.

Illustration: Serge Bloch

»Mein Mann und ich sind seit 40 Jahren verheiratet. Seit es Handys gibt, hängt er daran, auch bei Einladungen hat er es neben dem Teller und guckt oft darauf. Ich finde das unhöflich und peinlich. Mein Mann ignoriert meine Einstellung, eine Diskussion lehnt er ab. Wie könnte ich mich verhalten? Zähne zusammenbeißen und so tun, als wäre nichts? Mein Gefühl den anderen Gästen offen mitteilen (›Stört es Sie auch, dass ..?‹)? Gemeinsame Einladungen in Zukunft umgehen? (Wär blöd für mich!)« Gisela H., Braunschweig

Verzeihen Sie die Verallgemeinerung, aber es ist immer entsetzlich, wenn Paare sich vor anderen voneinander distanzieren. Es beschädigt das Paar als Ganzes, was der Person, die sich von Außenstehenden Bestätigung erhofft, nicht bewusst zu sein scheint. Aber es bringt einfach alle in eine unangenehme Situation. Schließen wir deshalb Möglichkeit 2 aus. Und Möglichkeit 3 – Sie gehen in Zukunft nicht mehr mit – sofort hinterher, denn Sie schreiben ja, dass dies blöd für Sie wäre. Schade, dass Ihr Mann eine Diskussion ablehnt, denn in einer idealen Welt (die es natürlich nicht gibt) würde er Sie anhören, ernst nehmen und sein unhöfliches Verhalten ablegen.

Es bleibt also nur Möglichkeit 1: Zähne zusammenbeißen und so tun, als wäre nichts, wobei ich eine winzige Änderung anregen möchte. Ich würde es an Ihrer Stelle genauso machen, nur ohne Zähne zusammenbeißen und so tun, als wäre nichts. Gehen Sie einfach zusammen hin, und haben Sie dann Ihren eigenen schönen Abend. Keine Sorge, das kriegen Sie hin. Sie wissen ja vorher schon, wie der Abend laufen wird. Ihr Mann, mit dem Sie seit den Achtzigerjahren verheiratet sind, wird nicht plötzlich von seiner Handysucht lassen können, der Ärmste, aber Sie, deren Sucht es nicht ist, lassen das Problem bei ihm. Um zu verdeutlichen, was ich meine, hier meine Lieblingsstelle aus Yasmina Rezas Theaterstück Kunst: »Wenn ich ich bin, weil ich ich bin, und wenn du du bist, weil du du bist, bin ich ich und du bist du. Wenn ich hingegen ich bin, weil du du bist, und wenn du du bist, weil ich ich bin, dann bin ich nicht ich und du bist nicht du.« Ihr Mann geht als er zu einer Essens­einladung. Und Sie gehen als Sie. Der Verlauf Ihres Abends hängt nicht von ihm ab. Ein Paar zu sein bedeutet nicht, damit aufzuhören, zwei Menschen zu sein.