»Ich habe vor Jahren einem Nachbarskind mit durchschlagendem Erfolg Mathematik-Nachhilfe gegeben. Nun kommen andere Kinder aus der Nachbarschaft ebenfalls und lassen sich von mir helfen. Ich bin da sehr schwach beim Neinsagen, weil ich es schön finde, Kindern Mathematik nahezubringen. Ich würde es trotzdem gerne beenden, weil es viel Zeit kostet und ich auch das Gefühl habe, dass es Eltern gibt, die die Hausaufgabenüberwachung an mich delegieren. Nur, wie sage ich das, wenn es Kinder gibt, die ihre Hoffnungen, gute Mathe-Noten zu bekommen, auf mich setzen? Ich habe Kinder, bin berufstätig, und natürlich verlange ich für die Nachhilfe nichts, ich bin ja kein Profi.« Sabina P., München
Also, erst mal ist es wahnsinnig nett von Ihnen, so zu helfen. Wer macht das schon, nicht nur auf die eigenen Kinder zu achten, sondern sich auch noch mit Kindern aus der Nachbarschaft hinzusetzen und Mathe zu lernen? Offenbar wissen deren Eltern Ihren Einsatz gar nicht richtig zu würdigen. Es klingt jedenfalls, als seien die einfach nur froh, dass sie so ein Problem weniger haben. Deshalb wenigstens hier für Sie mal ein Riesenapplaus, zwar nur gedacht, dafür aber irrsinnig lange anhaltend.
Und nun dazu, wie Sie Ihre freiwillige ehrenamtliche Tätigkeit wieder loswerden. Indem Sie es den Kindern sagen. Es führt leider kein Weg daran vorbei. Sie müssen Ihre diesbezügliche Neinsage-Schwäche überwinden, sonst werden Sie Ihr Leben lang die Nachhilfelehrerin der gesamten Nachbarschaft bleiben. Denn Kinder wachsen immer nach. Auch wenn die, mit denen Sie heute lernen, irgendwann ihren Abschluss geschafft haben, werden viele von ihnen jüngere Geschwister haben, die dann auch zu Ihnen kommen wollen. Und wäre es gerecht, den Jüngeren zu verwehren, was die Älteren bekommen haben? Es werden auch neue Familien in die Nachbarschaft ziehen. Und irgendwann wird es sich in der ganzen Stadt herumgesprochen haben, dass Sie Kindern die Angst vor Mathematik nehmen können, was ja das Geheimnis guter Mathe-Nachhilfe ist. Es wird jedenfalls nie leichter werden, aus dieser Nummer wieder rauszukommen.
Mein Rat: Nehmen Sie das neue Schuljahr als Zäsur. Teilen Sie den Kindern mit, dass Sie den Privatunterricht aus Zeitgründen nicht fortsetzen können. Die werden es ihren Eltern sagen, die seufzen und sich dann eine andere Lösung einfallen lassen werden. Es gibt professionelle Nachhilfe. Unter Umständen auch Schulen mit besserem Unterricht. Grämen Sie sich nicht, sondern erfreuen Sie sich an dem Wissen, dass Sie diese Kinder fürs Leben beschenkt haben.