Fünf Tage lang war ich von Passau nach Wien geradelt. Gesäß und Beine schmerzten. Sehr. Endlich am Ziel, sehnte ich mich nach der Geborgenheit eines schönen Hotels, nach dem »Herzlich willkommen« an der Rezeption, überhaupt nach menschlichem Kontakt. Stattdessen traf ich an dieser Wiener Hausfassade nur den mit einem Code zu öffnenden Schlüsselsafe an. Im Innenhof links dann das Zimmer. Aber darin: ein Boxspringbett, eine Flasche Rotwein, frische Blumen. Auch Dinge können einen willkommen heißen.
Eine Dusche später war ich mit der Menschenleere des Wiener »Grätzlhotels« nahe dem Karmelitermarkt versöhnt. Was dem Berliner sein Kiez, ist dem Wiener sein Grätzl. Und das ist ein Effekt dieses Hotels: dass die Besucher sich mit dem Viertel auseinandersetzen. Kein Personal, keine Lobby schirmt einen von der Stadt ab. Will man Leute treffen, ist man genötigt, das Hotel zu verlassen. Und je nachdem, in welchem der vier »Grätzlhotels« man in Wien eincheckt, kann einen eine andere Seite der Stadt erwarten. Im Neubau-Viertel ist man von Kunstinteressierten umgeben, am Karmelitermarkt von Wochenmarktbesuchern. Schläft man in einer der »Street Suites«, trennt einen nur ein Schaufenster von der Straße.
Das »Grätzlhotel« will seine Gäste laut eigener Aussage zu »Wienern auf Zeit« machen. Bei mir waren es nur 24 Stunden, aber es funktionierte. Ich wärmte mich in der Morgensonne auf dem Karmelitermarkt, trank Kaffee – und war tatsächlich ein kleines bisschen stolz, wie schön »mein« Grätzl doch ist.
Grätzlhotel Karmelitermarkt
Große Sperlgasse 6, A-1020 Wien
Tel. 0043/1/208 39 04
DZ ab 99 Euro