Schön, Sie zu sehen

Angenommen, Sie kommen nach Mailand und wollen so schnell wie möglich die interessantesten Menschen dort kennenlernen: Wo fangen Sie an? Am besten hier.

Giovanna Battaglia (hier in einem Kleid von Bottega Veneta) ist eine Königin des Mailänder Stils und erklärter Liebling der Modeblogs.

GIOVANNA BATTAGLIA
Wenn diese Frau sich in einem Kleid zeigt, ist es danach sofort ausverkauft.

Warum sollte man sie kennen?
Bei den internationalen Modenschauen gehört sie zu den meistfotografierten Frauen, der Blog Iwanttobeabattaglia ist sogar nur ihr gewidmet. Dabei arbeitet die 33-jährige Mailänderin eigentlich hinter den Kulissen: als Stylistin für Magazine wie die japanische Vogue oder die amerikanische W. Doch seit das Internet jeden Streetstyle schneller um den Globus schickt, als Modemagazine das vermögen, sind Leute wie Battaglia die eigentlichen Stilikonen. Außerdem ist sie die Freundin von Kunsthändler Vladimir Restoin-Roitfeld, Sohn der immer noch einflussreichen Ex-Chefin der französischen Vogue, Carine Roitfeld. Ihren Wohnsitz hat sie deshalb zur Hälfte nach New York verlagert.

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Ihr Stil
Alla milanese: immer elegant, ein bisschen bourgeois, viel Schmuck. Was sie trägt, ist aber fast schon egal, denn in jedem Fall sind die Sachen meist kurze Zeit später ausverkauft. Deshalb arbeitet sie immer häufiger auch als Beraterin für große Marken.

Ihr Motto

»Jetzt habe ich mir zehn Jahre als Stylistin den Hintern abgearbeitet, und plötzlich dreht sich alles nur darum, was ich selbst trage. Das ist für mich ja keine große Kunst!«

Wie sie wurde, was sie ist
Wer auf der Via Montenapoleone, der teuersten Einkaufsstraße Mailands, geboren wird und zu dessen frühesten Kindheitserinnerungen Versace-Schaufenster gehören, kann wahrscheinlich gar nicht anders, als in die Mode zu gehen. Sie fing als Hausmodel bei Dolce & Gabbana an und wurde dann mit Hilfe der heutigen Vogue Japan-Chefin Anna Dello Russo Stylistin. »Ich war sowieso ein schlechtes Model - ich wollte nie etwas anziehen, was mir nicht gefiel.«

giovannabattaglia.com

MARCELO BURLON
Dov´è la Party? Immer da, wo dieser DJ gerade auflegt.

Warum sollte man ihn kennen?
Burlon, 39, ist ein Grenzgänger zwischen den Welten Mode und Musik. Labels wie Prada und Gucci buchen ihn, wenn sie eine Party schmeißen, weil er die Adressen der interessantesten Gäste hat. Für Missoni und Iceberg mischt er die Musik bei den Modenschauen. Zuletzt sang er bei dem Clubhit Mamarracho von den Barking Dogs mit.

Sein Markenzeichen
Wenn er auflegt, mixt er am liebsten Italo-House mit alten Disco-Klassikern und aktuellen Clubhits. Dazu trägt er gern Sakkos mit Leopardenmuster, Tanktops und einen akkurat getrimmten Vollbart. Ein bisschen sieht er dann aus wie Riccardo Tisci, der Chefdesigner von Givenchy, was aber nicht weiter verwundert: Die beiden sind beste Freunde.

Sein Motto
»Als ich hier ankam, Ende der Neunzigerjahre, war Mailand eine Stadt, die gelangweilt war und in der ein konventioneller Lifestyle herrschte. Der Mix aus Geld und Mode hatte die Kultur vergiftet. Das wollte ich ändern.«

Wie er wurde, was er ist
»Meinen Job«, sagt der gebürtige Argentinier, »habe ich mir selbst erfunden.« Er wuchs in Patagonien auf der Straße auf, brach die Schule ab. Nachdem seine Familie nach Mailand gezogen war, begann er zunächst als Türsteher und knüpfte dabei viele Kontakte, die später wichtig werden sollten. Der Erste, der seine Dienste als Partymacher in Anspruch nahm, war Raf Simons. Heute ist Burlon DJ, Fotograf, Blogger, Model und »social butterfly« der Stadt.

Tizzy Beck und Umit Benan

TIZZY BECK
Von der New Yorkerin lassen sich Italiener zeigen, was ein guter Burger ist

Warum sollte man sie kennen?
Wenn eine echte New Yorkerin aus freien Stücken nach Mailand zieht, gehen schon ein paar Augenbrauen hoch. Ständig muss sich Tizzy Beck also dieselben Fragen anhören: Warum bloß Mailand? Und wann sie denn plane, die Stadt wieder zu verlassen? Dabei können ihr die Leute richtig dankbar sein - wer zwischen all der Pizza und Pasta mal Abwechslung braucht, bekommt in ihrem Restaurant »Tizzy’s NY Bar & Grill« endlich vernünftige Burger serviert. Damit hat Tizzy es zur derzeit angesagtesten Adresse in der Ausgehgegend am Naviglio Grande gebracht: Wer am Wochenende hier essen will, sollte besser reserviert haben.

Ihr Markenzeichen
Ein Stück authentisches New York mitten in der Lombardei. Die Burger werden von einem amerikanischen Koch zubereitet, das Bier stammt aus der Brooklyn Brewery, das Interieur ist eine gute Mischung aus klassischem Diner und modernem Bistro. Auf jedem Tisch steht das typische Gedeck aus Heinz Ketchup und Stubb’s Bar-B-Q-Sauce, und natürlich gibt es auch eine lange Bar, an der man versuchen kann, mit dem breiten Amerikanisch der Barkeeper mitzuhalten. Auch die Chefin selbst steht noch manchmal hinter dem Tresen, immer in auffälligen Highheels, da ist New York ganz nah bei Mailand. Falls man zur Trüffelsaison in der Stadt ist, sollte man unbedingt den »White Truffle Burger« bestellen. Ein paar BBQ-Ribs gehen natürlich immer.

Ihr Motto
»Es fühlt sich bei mir überhaupt nicht so an wie in Mailand.«

Wie sie wurde, was sie ist
Eigentlich wollte die gelernte Fotografin nur für ein Jahr in die Mailänder Dependance ihrer Fotoagentur wechseln. Ein bisschen Italienisch lernen, Europa entdecken. Sechs Jahre, eine Heirat und eine Scheidung später entschied sie: »Okay, ich bin jetzt über dreißig. Jetzt bleibe ich hier und eröffne ein Restaurant.« Denn überall in der Stadt machten gerade Läden auf, die amerikanisch taten und damit sogar Erfolg hatten - obwohl Beck natürlich fand, dass sie ganz und gar nicht amerikanisch waren. »Das kann ich viel besser«, fand sie. Dass sie keine Erfahrung in der Gastronomie hatte? Egal. Der Erfolg hat ihr längst Recht gegeben, weshalb Beck schon mit dem Gedanken spielt, bald ein zweites Restaurant zu eröffnen. Auch amerikanisch? »We’ll see …«

Tizzy’s NY Bar & Grill, Alzaia Naviglio Grande, 46

UMIT BENAN
Stuttgart - Istanbul - Mailand: Italiens interessantester Jungdesigner.

Warum sollte man ihn kennen?
Die Mailänder Mode hat ein Nachwuchsproblem. Große Häuser wie Armani, Prada, Gucci gibt es genug, aber wer rückt nach? In der Damenmode sind Fausto Puglisi oder Andrea Incontri die Hoffnungsträger, in der Herrenmode, ganz klar: Umit Benan. Seine Präsentation während der Mailänder Männerschauen ist vom Geheimtipp längst zum Lieblingstermin der Redakteure geworden, seit 2011 entstaubt der 32- Jährige außerdem die Herren- und die Damenlinie des Mailänder Traditionshauses Trussardi.

Sein Stil
Wildwuchs. Sollte Umit Benan sich irgendwann seinen wuchernden Bart abrasieren - keiner würde ihn morgens im Büro erkennen. Auch der Stil seiner Mode ist ein eher wilder Mix aus traditionell türkischen, elegant italienischen und modernen New Yorker Einflüssen - lässig, bequem, unkonventionell.

Sein Motto
»Man kann nie genügend Smokingjacken haben, vor allem in Dunkelblau.«

Wie er wurde, was er ist

Geboren in Stuttgart, wuchs Umit Benan Sahin, wie sein voller Name lautet, in Istanbul auf. Der Vater besaß eine Textilproduktionsfirma für Damenober- bekleidung, die Kinder halfen von klein auf mit. Nach dem Studium in Boston, Mailand, London und New York fing er bei Marc Jacobs in New York an. 2009 gründete er in Mailand sein eigenes Label.

umitbenan.com

Antonia Giacinti und Francisco Gomez Paz


ANTONIA GIACINTI
Rätselhaft: Die Modeeinkäuferin kann oft exklusive Stücke besorgen, an die sonst keiner rankommt.
Warum sollte man sie kennen?
Der Name ist Programm: »Zu Antonia gehen« ist in Mailand gleichbedeutend mit »shoppen gehen«. Denn seit 1999 die beiden Boutiquen gleichen Namens in Brera eröffneten, weiß jeder, dass er dort auf einen Schlag alle Labels bekommt, über die die Modewelt gerade spricht. Mittlerweile ist außerdem ein »Antonia Uomo« dazugekommen, das von Giacintis Mann Maurizio geführt wird.

Ihr Markenzeichen
Ein Gespür für die richtigen Marken, vor allem aber für die richtigen Stücke einer Marke. Bei »Antonia« hängt nicht das Lanvin-Kleid, das man schon woanders gesehen hat, sondern eines, das exklusiv bei ihr zu bekommen ist. Genau dieses Händchen unterscheidet Giacinti von anderen und brachte ihr einen prestigeträchtigen Zweitjob ein: Im Excelsior Milano, dem von Jean Nouvel entworfenen und 2011 eröffneten Luxus-Kaufhaus, ist die 45-Jährige für den gesamten Einkauf zuständig.

Ihr Motto
»Wenn ich etwas aussuche, denke ich nicht daran, was den Kunden gefallen könnte. Ich entscheide nach meinem Geschmack und meiner Erfahrung.«

Wie sie wurde, was sie ist
Schon während der Schule jobbte sie als Verkäuferin, mit 21 wurde sie Vertreterin einer Modekette. Danach war dasZiel klar: irgendwann den eigenen Laden haben. Jetzt sind es halt: Läden.

Antonia,Via Ponte Vetero, 1

FRANCISCO GOMEZ PAZ
Geht das Wort »Lichtgestalt« noch? Klar - wenn einer so schöne Lampen macht.

Warum sollte man ihn kennen?
Mailand ist nicht nur Mode-, sondern auch Möbelstadt. Bedeutende Designer wie Ettore Sottsass und Achille Castiglioni haben hier Geschichte geschrieben. Der 37-Jährige ist auf dem besten Weg, diese große Tradition fortzusetzen.

Sein Markenzeichen
Seine Leuchten für den Hersteller Luceplan verbinden neueste Technik mit traditionellen Formen. Als sein Meisterstück gilt der federleichte Lüster »Hope«, der statt auf Kristall auf schimmernde Kunststofflinsen setzt. Mit Alberto Meda entwickelte er die preisgekrönte »Solar Bottle«, eine Flasche, die Wasser mittels Sonnenlicht desinfiziert.

Sein Motto
»Mein Studio ist zugleich mein Wohnhaus. Ich habe sogar einen kleinen Garten, ein Luxus in Mailand. So ist meine Familie immer um mich herum.«

Wie er wurde, was er ist
Der gebürtige Argentinier studierte in Córdoba und Mailand Design und eröffnete 2004 sein eigenes Studio. Seine Entwürfe werden von Luceplan, Driade und Artemide vertrieben.

Nicola Sprecchio

NICOLA SPECCHIO
... betreibt das »Ostello Bello«: Mailands charmantestes Hostel

Warum Sollte man ihn kennen?
Junge und unkomplizierte Touristen finden bei ihm eine liebevoll geführte und zentrale Bleibe nahe dem Dom. Die Bar im Erdgeschoss ist eine beliebte Aperitivo-Adresse.

Sein Markenzeichen Betten und Schränke hat Specchio anfertigen lassen, der Rest stammt vom Flohmarkt oder wurde ihm geschenkt. Zur Begrüßung gibt es gern mal einen Drink aufs Haus.

Sein Motto
»Hostels sind oft abgeschlossene Orte. Wir wollen, dass Einheimische und Touristen sich begegnen.« wie er wurde, was er ist Seit er 14 ist, bereist Specchio die Welt und wohnte am liebsten in Jugendherbergen. Mehr Ausbildung brauchte er nicht.

ostellobello.com, Via Medici, 4

(Fotos: Ben Morris/visualartistsuk.com; Zelinda Zanichelli; Esther Mathis.)