Name: Christopher Mavrič
Geboren: 1985 in der Steiermark
Wohnort: Wien
Ausbildung: Studium zum Informationsdesigner an der FH Joanneum Graz und Ausbildung an Friedl Kubelkas Schule für künstlerische Fotografie
Website: www.c-mavric.at
SZ-Magazin: Woher kam Ihre Inspiration, mit älteren Menschen mit Behinderung zu arbeiten?
Christopher Mavrič: Als mir die »Lebenshilfe« in Graz das Projekt vorgeschlagen hat, war ich am Anfang etwas verunsichert. Ich habe mich an zwei meiner Großeltern erinnert, die am Ende ihres Lebens pflegebedürftig und schon sehr gebrechlich waren. So erinnere ich mich auch an sie. Ich wollte die Bilder von den behinderten Seniorinnen und Senioren dann so machen, wie ich gerne an die eigenen Großeltern zurückdenken möchte.
Wie haben Sie das in den Fotos umgesetzt?
Ich habe versucht, den ganzen Alltag der Pflege und Therapie beiseite zu lassen, um mit der Schwarzweißfotografie einen ganz direkten und unmittelbaren Zugang zu den Menschen zu schaffen. Dabei wollte ich einfach keine Ablenkungen, wie ein Bett oder eine Gehhilfe, die den Blick auf den Menschen verstellen, dann ist die emotionale Komponente viel unmittelbarer. Mir war auch wichtig, dass oft die Hände der Menschen mit im Bild sind.
Warum?
Weil ich zeigen wollte, dass all diese Menschen eigenmächtig handeln können.
Wie war die Stimmung bei den Treffen?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen kitschig, aber wenn du in so eine Werkstatt der Lebenshilfe reingehst, dann ist da so eine Stimmung, dass du kurz glaubst, du bist aus allem, was Alltag bedeutet heraußen. Ich war total begeistert wie die Leute sich darauf gefreut haben und den Fototermin als ihren Höhepunkt an diesem Tag gesehen. Sie haben mir alle vertraut und mich aufgenommen wie einen alten Freund. Das war ziemlich inspirierend und eine sehr schöne Erfahrung.
Welche Begegnung hat Sie besonders beeindruckt?
Mich haben eigentlich alle beeindruckt, aber ganz besonders war Karl Fellner. Ich bin nach einer mehrstündigen Autofahrt an der Werkstätte der Lebenshilfe angekommen und habe die Leitung gesucht. Da kam ein rüstiger, älterer Herr auf mich zu und stellte sich vor. »Servus, I bin da Koarl!« Und das mit so einem Nachdruck, dass ich im ersten Moment total davon überzeugt war, dass er ein Mitarbeiter der Lebenshilfe ist.
Was haben Sie über das eigene Leben gelernt?
Das Leben ist kostbar und zerbrechlich, muss man es jeden Tag voll auskosten. Und, dass der Ausdruck »Mensch mit Behinderung« bedeutet, dass diese Leute nur durch die Unfähigkeit der Gesellschaft, sich auf die besonderen Bedürfnisse der Menschen einzustellen, »behindert« werden.
In Ihrem Buch erwähnt Ihr Co-Autor Stefan Schlögl auch die Geschichte des Umgangs der österreichischen Gesellschaft mit behinderten Menschen. Hatten Sie das während des Fotografierens im Hinterkopf?
Ganz ehrlich, ich versuche, im Hier und Jetzt zu sein und lege meine volle Aufmerksamkeit auf das Gegenüber. Aber es ist auf jeden Fall besonders, dass diese Generation die erste ist, die nach dem zweiten Weltkrieg und dem Euthanasiewahnsinn so alt werden darf und kann, auch weil die Medizin so weit fortgeschritten ist.
Haben diese Menschen ihren Platz in der Gesellschaft gefunden?
Definitiv. Wenn Sie als Betrachter in diesen Fotos Zufriedenheit, Glück und Vertrauen spüren, dann ist das natürlich in erster Linie die Leistung der Menschen selbst, aber auch von den Mitarbeitern der Lebenshilfe und den Angehörigen.
Christopher Mavrič hat vergangenen Dezember gemeinsam mit Stefan Schlögl das Buch »Weil es mich gibt« herausgebracht. Die Porträtsammlung ist beim Verlag Bibiliothek der Provinz erhältlich.