In seinem lesenswerten Buch How to be a Man empfiehlt der US-Schriftsteller Glenn O’Brien, man solle in angelsächsischer Tradition seinem Haus einen Namen geben, sei es noch so bescheiden. Ein guter Rat. Man kann dann im Büroflur oder in der Bahn mit kräftiger Stimme sagen: »Wir fahren am Wochenende wieder raus nach Sommersby Hall!«, auch wenn damit nur der Schrebergarten gemeint ist. Es hat einen erhebenden Klang, und die Hütte gefällt einem gleich ein bisschen besser. Ortsnamen sind für das Bauchgefühl nicht unbedeutend, schon gar nicht im Urlaub. Bei Reisezielen wie Côte d’Azur, Mauritius oder St. Moritz stellt sich das Feriengefühl schon beim Buchstabieren ein, geheimnisvolle Namen wie Copacabana, Panama oder Saas-Fee lösen ein akutes Fernweh aus.
In einem Jahr, in dem die ganze Welt Hausarrest hat, will man von all dem aber lieber nichts hören. Deshalb kommen der Australier Damien Rudd und die Französin Cécile Coulon mit ihrer Sammlung von grässlichen Ortsnamen zur rechten Zeit. Für ihr Buch Triste Tropique – Topographies of Sadness hat Rudd, Geograf und Fotograf, die Google-Weltkarte nach Destinationen abgesucht, in die man schon deswegen nicht fahren würde, weil man nicht davon erzählen kann. Oder wie sähe das bei Instagram aus, wenn die Ortsangabe »Massacre Bay« oder »Suicide Point« ausspuckt? Okay, das wäre als Gag noch denkbar. Aber Mama kann man bestimmt nicht sagen, dass man Murder Island ansteuert oder einen Ausflug zum Terror Lake plant. Das reizt einen selbst auch nicht sonderlich, auch wenn es dort hübsch sein sollte.
Sensible Gemüter tun sich ja schon mit Darmstadt und Pforzheim schwer. Und man stelle sich vor, beim romantischen Picknick in der Disappointment Bay oder beim Umzug in die Grumpy Lane ginge alles schief – da muss man sich schon die Frage gefallen lassen, was man eigentlich erwartet hatte. Wohl niemand achtet bei der Wohnungssuche auf den Straßennamen, aber wie gut lebt es sich, wenn man Lonesome Road oder Hopeless Way als Adresse angeben muss?
Ob diese Orte in Wirklichkeit bezaubernd sind, da von erzählt das kleine Buch nichts. Den Autoren geht es um die topografische Trostlosigkeit, die eine Dead Dog Island auf einer Karte zwischen lauter wohlklingenden Namen auszeichnet. Nach der Lektüre ist man ganz zufrieden mit seiner Bahnhofstraße in Neuendettelsau. Und dann hat man ja auch noch Primrose Cottage am Wochenende!