Mit welchem Gesichtsausdruck schauen Sie »Das Literarische Quartett«?

Die Schriftstellerin Nora Bossong im Interview ohne Worte über Preisgelder, die Angst, überflüssig zu werden und die Beschäftigung, mit der sie die Arbeit am liebsten herauszögert.

Geboren: 9. Januar 1982 in Bremen
Beruf: Schriftstellerin 
Ausbildung: Literaturstudium am Literaturinstitut Leipzig, Studium der Kulturwissenschaft, Philosophie und Komparatistik in Berlin, Potsdam und Rom 
Status: Krise? Welche Krise?

Während die Pandemie Tausende von Künstlerinnen und Künstlern in die Armut treibt, hat Nora Bossong einen Lauf: Im Februar erhielt sie den Wilhelm-Lehmann-Preis (dotiert mit 7500 Euro), im April den Thomas-Mann-Preis (25 000 Euro) und gerade den Joseph-Breitbach-Preis (50 000 Euro) für ihr literarisches Gesamtwerk – obwohl sie erst 38 Jahre alt ist. Für jemanden, der schreibt, ist das ein Traum: nicht über Geld, nur über gute Sätze nachdenken. Von allen Schriftstellerinnen und Schriftstellern deutscher Sprache gehört Bossong seit 15 Jahren zu den interessantesten, vor allem zu den vielseitigsten. Ihr Repertoire ist enorm: Lyrik, Romane, Essays, 2017 veröffentlichte sie den Reportageband Rotlicht, für den sie ein Jahr lang in Sexkinos, Bordellen und Swingerclubs recherchiert hatte. Bossong ist eine engagierte und politische Autorin, nicht der Elfenbeinturm, sondern die Wirklichkeit interessiert sie, wenn sie über brennende Regen­wälder oder den Völkermord in Ruanda schreibt. In einer »ehrlichen Neujahrsansprache« für die Zeit schrieb sie Ende 2019: »Demokratie bewegt sich zwischen Kritik und Bestärkung. Ohne Kritik wird sie blind. Ohne Rückhalt stirbt sie.« Es sind Sätze, die immer relevanter werden. Bossongs aktueller Roman heißt Schutzzone.