Am Sonntagabend, kurz nach acht Uhr abends: In der Tagesschau fasst Sprecher Jan Hofer eben noch die Überschwemmungen im Jemen zusammen – 61 Tote, Lebensmittel knapp –, dann liest er mit aller Seriosität folgende Meldung vor: "Fußballbundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack wollen ihren Streit ausräumen. Der DFB teilt mit, es soll ein Gespräch in Deutschland geben." Unter einem Foto von Ballack und Löw ist die Einblendung zu lesen: „Gespräch vereinbart."
Die Tagesschau meldet ernsthaft in den Hauptnachrichten, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagt, dass Ballack sagt, er werde bald nach Deutschland reisen, um Löw irgendetwas zu sagen. Rund zwei Stunden später im ZDF die gleiche Meldung, der „heute journal"-Sprecher berichtet: Bundestrainer Joachim Löw habe die Pressemitteilung, in der sich Ballack für seine jüngste Kritik entschuldigt, registriert, wichtiger sei aber das persönliche Gespräch, danach werde es von ihm, Löw, eine offizielle Stellungnahme geben.
Man sitzt vor dem Fernseher und denkt: jetzt spinnen sie. Der DFB spinnt, Ballack spinnt, Löw spinnt und die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten spinnen erst recht. Die einen zanken sich wie Fünfjährige und die anderen melden den Sandkastenstreit mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie kurz zuvor Angriffe von US-Soldaten auf eine Siedlung in Syrien. Früher waren Ballack und Löw im Sportteil beheimatet, im DSF und in der "Bild"-Zeitung. Jetzt gehört ihnen die ganz große Bühne, und obwohl sie nichts zu sagen haben, treten sie ans Rednerpult.
Schuld am Verlust realistischer Selbsteinschätzung ist die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Da hat der Fußball das ganze Land in Beschlag genommen, vom Kanzleramt bis zur Tagesschau. Und weil das nächste Fußballfest so nah war (EM 2008, Salzburg), haben sich die Fernsehintendanten die schwarz-rot-goldene Gesichtsbemalung erst gar nicht mehr abgeschminkt.
Dabei hätte spätestens nach dem Endspiel jemand dem DFB sagen müssen, dass es nun auch wieder gut ist, dass gerne alle paar Wochen ein Länderspiel übertragen werden kann, aber zwischen zwei Spielen bitte Sendepause ist. Doch niemand hat den Fußball zurück auf sein normales Maß gestutzt. Darum ist jetzt offenbar jeden Tag Länderspiel, und egal, welche Banalitäten ein Nationalspieler in eine Kamera radebrecht, es wird zur besten Zeit gesendet.
Und dann muss auch noch Torsten Frings – ausgerechnet Frings, dessen Horizont mit seinem Ferrari, seiner Winnetou-Frisur und seinen Tribal-Tattoos recht genau abgesteckt erscheint – seine Meinung zum Ballack-Löw-Wortgefechtchen sagen, mit staatsmännischer Miene, als hätte gerade er, Frings, und nicht Steinbrück, 500 Milliarden Euro garantiert.
Es ist so: Ich liebe Fußball, ich lese gerne den Sportteil der Zeitung, ich bin bis nach Wien gefahren, um mir das Spiel Deutschland gegen Österreich anzusehen, Ballack und Frings und Löw beklatschend, aber diesmal geht es zu weit. Soll der Michi Ballack doch mit dem Jogi Löw reden – persönlich, am Handy, in London, in Deutschland, egal. Erzählt es uns einfach nicht in den Hauptnachrichten. Um es mit Franz Beckenbauer zu sagen: „Geds raus und schbuids Fußball!"