Warum sich Sportlerinnen gegen weiße Hosen wehren

Heute Abend werden Englands Fußballerinnen wieder in weißen Hosen auflaufen – obwohl sie darauf hingewiesen haben, dass diese während der Menstruation unpraktisch sind. Wann wird die Regel im Sport kein Tabu mehr sein?

Mit ihrer Leistung können die englischen Nationalspielerinnen zufrieden sein. Ihre Turnierkleidung ist etwas anderes.

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Wer blutet, ist im Sport ein Held. Bastian Schweinsteiger, der das WM-Finale mit einer Platzwunde unter dem Auge nach Hause bringt. Tour-de-France-Fahrer, die es nach Stürzen mit aufgeschlagenen Knien ins Ziel schaffen. So viel Leidenschaft! So viel Kampfgeist! Nur wenn Frauen bluten, ist das natürlich anders. Jedenfalls wenn es um ihre Periode geht. Das ist ja keine Heldentat, keine große Leistung, sondern passiert ihnen einfach. Dafür gibt es keinen Applaus, im Gegenteil. Man stelle sich vor, eine Fußballerin macht eine Grätsche, ein hohes Bein – und da zeichnet sich ein roter Fleck auf der hellen Hose ab. Kann passieren, es müsste das Normalste der Welt sein, wäre aber wahrscheinlich in den Augen vieler der peinlichste Moment ihrer Karriere.

Deshalb baten die englischen Fußballerinnen ihren Ausrüster Nike bei der laufenden EM, nicht mehr in weißen Shorts spielen zu müssen. Bei vergangenen Meisterschaften hatte das Nationalteam untenrum auch mal in Blau gespielt, bei den deutschen Frauen sind weiße Hosen nur dritte Wahl.

»Hoffentlich ändern sie das«, sagte die Engländerin Beth Mead, die im ersten Spiel das 1:0 für das englische Team gegen Österreich schoss. »Weiß ist nicht sehr praktisch, wenn wir uns in dieser Zeit des Monats befinden.« Das ist noch freundlich ausgedrückt. Die meisten Frauen würden nicht im Traum auf die Idee kommen, im Alltag helle Röcke, Kleider oder Hosen anzuziehen, wenn sie ihre Tage haben oder bald bekommen. Eiserne Regel für die Regel.

Denn man weiß ja nie. Vor allem beim Sport machen viele Frauen die Erfahrung, dass bei körperlicher Anstrengung tendenziell eher mal etwas ausläuft (und Binden als Back-up sind beim Rennen nicht wirklich eine Lösung). Mit solchen Gedanken im Hinterkopf läuft man nicht unbedingt zu Hochform auf. Von Regelschmerzen – die übrigens nicht weniger weh tun können als eine leichte Zerrung – ganz zu schweigen. Doch wirklich geredet wurde über all das weder auf dem Platz noch sonst wo. Gibt ja auch deutlich angenehmere Themen.

Viel lieber würden auch wir an dieser Stelle über die Tattoos von Sara Doorsoun schreiben. Über die omnipräsenten Haar-Bändchen. Und natürlich das »Euro Bussi« zwischen der Spanierin Mapi León und ihrer Freundin, der norwegischen Spielerin Ingrid Engen. Quasi eine Neuauflage des stürmischen Kusses des spanischen Torhüters Iker Casillas und der Fernsehreporterin Sara Carbonero bei der WM 2010. Romantik am Rande des Rasens! Was fürs Herz! Löst nur leider das Problem mit den Hosen nicht.

Schon 2015 klagte die britische Tennisspielerin Heather Watson öffentlich, sie habe ihr Auftaktspiel bei den Australian Open wohl wegen »girl things« verloren. Daraufhin sprang ihr die ehemalige Spielerin Annabel Croft zur Seite. »Wir sprechen offen über Sex, über Brustvergrößerungen, wir sprechen über so viele Dinge, ohne mit der Wimper zu zucken. Nur dieses besondere Thema wird nie diskutiert.« Croft lancierte damals auslaufsichere Unterwäsche, es gab einen kurzen »Perioden Peak« in der Berichterstattung, viel mehr passierte nicht. Selbst in der Werbung für Binden wurde ja stets helle Ersatzflüssigkeit gezeigt. Der erste Always-Spot mit roter Färbung lief, allen Ernstes, im September 2021.

Doch in den letzten Wochen ist das »besondere Thema« zurück. Im Mai antwortete die neuseeländische Profi-Golferin Lydia Ko einem (männlichen) Journalisten auf eine Frage nach ihrem verspannten Rücken und ihrer Hüfte lachend: »Es ist diese Zeit des Monats. Alle Frauen, die jetzt zuschauen, werden wissen, was ich meine.« Dem Interviewer verschlug es die Sprache, das Internet applaudierte, dass endlich mal jemand so normal reagierte, wie die Sache nun mal sei.

Kurz darauf kritisierte die Tennisspielerin Alicia Barnett die strenge Regel für weiße Kleidung bei Wimbledon. Selbst die Radlerhosen unter den Röcken sind davon nicht ausgenommen. »Während der Spiele die Periode zu haben, ist schwierig genug. Aber dann Weiß zu tragen, ist nicht einfach«, erklärte die Britin. Viele Sportlerinnen nehmen deshalb häufig die Pille durch oder lassen sich von Ärzten hormonell behandeln, um ihre Tage während der Turniere erst gar nicht zu kriegen. Vorsorge, die eigentlich ein Skandal ist.

Der englische Fußballverband ließ derweil verlauten, man werde die Anfrage der Spielerinnen in Betracht ziehen – für die kommenden Designs. Heute Abend müssen die »Lionesses«, die Löwinnen, wie man das englische Team auch nennt, also wieder ganz in Weiß auflaufen. Na dann. Viel Glück!

Wird getragen mit: Girl Power
Typischer Instagram-Kommentar: »Wichtigste Regel im Frauen-Sport«
Passender Song: »You don’t know what it’s like« (Econoline Crush)