Zufälle gibt’s. Erst am Montag erklärte Robert Habeck in der Sendung »n-tv Frühstart«, trotz aller Spannungen (Heizungsgesetz, Elterngeld und so weiter) laufe es mit dem Finanzminister »persönlich supi«, und nur einen Tag später wird dieses Bild veröffentlicht: der FDP-Politiker und der Grünen-Politiker, vereint auf einem Buchdeckel. Läuft es also so supi, dass sie gleich zusammen ein paar hundert Seiten geschrieben haben?
Donnerwetter. Der Durchschnittsbürger ist bei der aktuellen Hitze ja schon froh, wenn er noch halbwegs geradeaus denken kann. Derweil machen sich zwei der wichtigsten Politiker des Landes neben all ihren amtlichen Pflichten auch noch daran, mal eben die Welt zu retten. Zumindest lautet der Titel Das Jahrzehnt der Entscheidung. Deutschland 2030. Das changiert irgendwo zwischen Apokalypse und Doch-Noch-Die-Kurve-Kriegen. Nicht total schmissig, aber für einen Showdown-Plot immerhin erfreulich klarer als Mission Impossible: Dead Reckoning Part I.
Warum bloß sind die beiden Supi-Helden dann so gar nicht ampelig kumpelig, sondern eher oppositionell gegenüber gestellt? Wieso wird hier optisch die uralte »Dick und Doof«-Dialektik bemüht und der eine mit verschränkten Armen, der andere mit betont lockeren Händen in den Hosentaschen, der eine mit (gelber) Krawatte, der andere wie immer mit offenem Hemd gezeigt? Das sieht doch überhaupt nicht nach konstruktiver Bromance aus, sondern eher nach persönlichen Differenzen. Zumal der Finanzminister am Fuß einer farblosen Treppe steht (klarer Abwärtstrend), während der Wirtschaftsminister auf einer Art Terrazzo- oder Flecken-Teppich steht (irgendwie unordentlich).
Wie immer hilft auch hier auf das Kleingedruckte zu achten. Da steht nämlich unter den beiden prominenten Namen noch ein weiterer, Stefan Wintels, und dahinter »(Hg.)« für Herausgeber. Und wer im Internet nach einem Klappentext sucht, findet bei diversen Buchhandlungen, dass sich in diesem Titel »Pionierinnen und Pioniere des Fortschritts aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen« versammeln, um auf die drängenden Fragen der Zukunft »lösungsorientierte Antworten« zu geben. Habeck und Lindner dürften also allenfalls je einen Beitrag selbst geschrieben und ansonsten als Mitherausgeber fungiert haben. Stefan Wintels ist übrigens Chef der staatlichen Förderbank KfW, die einigermaßen prominent auf dem Titel abgedruckt ist, weshalb das Buch leider schnell weniger nach wuchtiger Weltrettung, sondern eher nach wurschtiger Marketing-Maßnahme aussieht, bei der die beiden bekanntesten Nasen kurzerhand aufs Cover gehoben wurden.
Nur für ein gemeinsames Shooting war im Angesicht des Jahrzehnts der Entscheidung leider keine Zeit. Womöglich fanden nicht mal Einzelshootings statt, mit denen sich jemand die Mühe hätte machen können, die beiden Politiker einträchtig zusammenzuphotoshoppen. Es wurden einfach zwei der üblichen Anzugfotos, auf denen beide Männer etwa gleich groß erscheinen, nebeneinander geklatscht und mit den unterschiedlichen Hintergründen noch eine farbliche Negativ-Positiv-Spielerei gemacht – fertig!
Für alle geneigten Käuferinnen und Käufer bleibt nur zu hoffen, dass es inhaltlich gründlicher zur Sache geht. Deutschland 2030 erscheint voraussichtlich am 6. November 2023.
Typischer Instagram-Kommentar: »Ist schon Kanzlerduell?«
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