Der erste Mund-Nasen-Maskenball

Wie schön, bei den Filmfestspielen von Venedig endlich wieder Abendgarderoben zu sehen. Die Maskenpflicht schien den Promis aber erst auf dem Weg aus der Tür eingefallen zu sein. Oder wieso trugen so viele von ihnen den ollsten Einweg-Mundschutz?

Cate Blanchett (zweite von links) und die FilmkolleInnen in einer Neuinterpretation des Mottos »unten hui, oben pfui«.

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Endlich wieder roter Teppich. Nachdem wir Celebrities in den letzten Monaten ausschließlich über deren eigene Social-Media-Accounts in ihren Jogginganzügen aus der Heim-Quarantäne oder im Cottagecore-Look von ihrem Landsitz haben winken sehen, erschien der Gedanke, dass diese (oder überhaupt Menschen) sich aus irgendeinem Grund in so etwas wie Anlassmode werfen könnten, nahezu absurd.

Unter all den abgesagten Glamour-Events der Filmwelt – kein Cannes, kein Tribeca, unzählige verschobene Premierenfeiern – litt neben der Film- auch die Modebranche: Schließlich sind die roten Teppiche dieser Welt so etwas wie die meist beachteten Laufstege für die Entwürfe der großen Modehäuser. Und so war die Spannung groß, als klar wurde, dass zumindest die Filmfestspiele von Venedig unter besonderen Hygiene-Maßnahmen physisch stattfinden können. Ob die Pandemie auch auf der Red-Carpet-Mode ihre Spuren hinterlassen hat?

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Eine der modisch herausragenden Figuren auf dem roten Teppich war bisher (wenig überraschend) Cate Blanchett. Neben neuen Entwürfen trug die Jurypräsidentin der diesjährigen Filmfestspiele – wie auch schon bei verschiedenen Anlässen in der Vergangenheit – zweimal »alte« Kleider: zur Eröffnungsgala eine dunkelblaue Robe von Esteban Cortázar, die sie zuerst 2015 zum BFI London Film Festival getragen hatte, kurz darauf ein handgefertigtes asymmetrisches Top mit Blumenornamenten von Alexander McQueen, das sie erstmals bei den BAFTAs 2016 ausführte. Damals war das Oberteil jedoch noch Teil eines Ensembles mit aufwändigem Federrock, nun kombinierte sie es mit einer schlichten schwarzen Anzughose. Ein Zeichen, dass die Bequemlichkeit der letzten Wochen doch hier ist, um zu bleiben?
Indizien dafür gibt es. Sowohl Blanchett als auch ihre Kollegin Tilda Swinton zeigten sich in Venedig in seidigen Pyjama-Looks, die jedes Zoom-Gegenüber im Home-Office neidisch gemacht hätten. Der Regisseur Pedro Almodóar erschien in Hawaiihemd und Gesundheitsschuhen. Luca Tommassini ließ die Gummistiefel vom Cottage-Ausflug gleich an.  

Doch gab auch andere Momente: Emma Corrin im tiefausgeschnittenen Lätzchendress von Miu Miu, Vanessa Kirby, die im bodenlangen Statuenkleid aussah wie ein menschgewordener roter Teppich, oder Maya Hawke als funkelnde Meerjungfrau. Das eleganteste Accessoire führte Tilda Swinton aus, die zu ihren Chanel-Couture-Roben am Eröffnungsabend und zur Premiere von »The Human Voice« jeweils eine goldene venezianische Maske in der Hand trug.

Das war dann aber auch die einzige Maske, die glänzte – wenn gleich sie beim Virenschutz nur wenig punkten dürfte. Die meisten Red-Carpet-BeschreiterInnen in Venedig wirkten, als sei ihnen die Maskenpflicht erst spontan wieder in den Sinn gekommen. Zu ihrer Wochen mir Voraus geplanten Abendgarderobe zogen sie die ollsten 08/15-Gesichtsmasken auf. Beim Rausgehen gemerkt, dass man schon wieder die Maske vergessen hat, und dann schnell den nächstbesten Lappen in die Tasche geworfen – man kennt das.
Dabei gäbe es Alternativen. Die Münchner Schmuckdesignerin Saskia Diez produziert schon seit Monaten hübsche Masken mit edlen Schmuckketten und Lady Gaga machte gerade erst bei den VMAs vor, wie man eine Gesichtsmaske als ebenbürtigen Teil seines (futuristischen) Bühnenoutfits versteht.

Doch auch die großen Designermarken haben sich zum großen Teil noch nicht an das Produkt Mund-Nasen-Schutz herangetraut – alles, was an monogrammverzierten vermeintlichen Designer-Masken im Umlauf ist, sind Fakes oder umgeschneiderte Schuhbeutel von Gucci, Louis Vuitton und Co. Ein Zeichen von Optimismus und einer »Wird ja ohnehin nur eine vorübergehende Erscheinung sein«-Haltung? Das Argument hat die Mode sonst auch nicht davon abgehalten, kurzlebige Trendprodukte herzustellen. Vielmehr scheinen die Luxus-Modehäuser damit zu hadern, Profit aus einer Gesundheitskrise zu schlagen. Lediglich Burberry lancierte vor Kurzem ein Maskenmodell im typischen Karomuster, das für 90 Pfund verkauft werden soll – geschneidert aus Stoffresten, ausgestattet mit einer antibakteriellen Veredelung und mit einer integrierten Spende von 20 Prozent des Verkaufspreises an den »Burberry Foundation COVID-19 Community Fund«. Scheint wie ein tragbarer Ansatz. In Venedig hätte man jedenfalls ein paar High-end-Gesichtsmasken brauchen können.

Wird getragen von: Hinz und Kunz
Trageanlass: Vom Supermarktbesuch bis zum roten Teppich
Nicht verwechseln mit: Venezianischen Masken