Nummernschild

Die Geschichte des Nummernschildes ist eine Geschichte der fortschreitenden polizeilichen Erfassung. Vor zwanzig Jahren etwa waren die Autokennzeichen in vielen Ländern, wie Österreich und Italien, noch schwarz und im Dunkeln kaum erkennbar, bevor Richtlinien der Europäischen Union eine einheitliche Gestaltung durchsetzten. Die EU-weit vorgeschriebenen weißen Schilder mit schwarzer Schrift sollen bessere Entzifferbarkeit garantieren. Wenn in Deutschland nun über die Registrierung aller Autokennzeichen durch Kameras der Polizei diskutiert wird, ist das die letzte Stufe einer verbesserten Erfassung des Nummernschildes.

In der vergangenen Woche beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit der polizeilichen Praxis, an viel befahrenen Straßen jedes Autokennzeichen zu fotografieren und in Sekundenschnelle mit dem Fahndungskatalog abzugleichen. Auf die Klage von Datenschützern hin wird die Zulässigkeit dieser Fahndungsmethode in den kommenden Monaten juristisch überprüft. Doch wenn sich jetzt Protest regt gegen diese Fahndungsmethode, dann steht die Aufregung im Widerspruch zu der weitverbreiteten Manier, die Identifizierung durch das Nummernschild selbst voranzutreiben. Es gibt unzählige Fahrzeughalter in Deutschland, die sich über die Zuteilung einer beliebigen Buchstaben- und Ziffernfolge auf dem Schild hinwegsetzen und sich durch zusätzliche Gebühren ein Wunschnummernschild leisten. Leicht beschämt fällt der Blick auf die Autokennzeichen von Verwandten und Freunden, in denen die beiden Mittelbuchstaben die Initialen der Fahrzeughalter bilden und die vier Ziffern das Geburtsdatum oder den Hochzeitstag. Und in einem Land wie Österreich, in dem Wunschnummernschilder problemlos erhältlich sind, sieht man auf den Autobahnen alle paar Meter Kennzeichen wie »Larry 1« oder »Burli XXL«.

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In dem Film Fargo wird die schöne Geschichte erzählt, wie ein Autofahrer um die amtliche Genehmigung ersucht, seinen Vornamen als Kennzeichen verwenden zu dürfen. Als man ihm den Wunsch verwehrt, geht er den umgekehrten Weg und benennt sich kurzerhand um, nach dem Buchstabencode auf dem Nummernschild. Diese Anekdote sagt alles über die enge Beziehung vieler Autofahrer zu ihrem Kennzeichen. Wenn es keine Hinweise auf den Eigennamen des Fahrers liefern kann, dann zumindest auf dessen Herkunft. Als in Italien 1994 das Kennzeichensystem umgestellt wurde und anstelle der Ortskennung ein nach dem Zeitpunkt der Zulassung gegliedertes Ordnungsprinzip in Kraft trat, gab es so massiven Widerstand, dass man fünf Jahre später eine erneute Korrektur anbrachte. Seitdem besteht für jeden Fahrzeughalter die Möglichkeit, das Ortskürzel am rechten Rand des Nummernschildes anzubringen.

Willkürlich zugewiesene Kennzeichen, ohne Hinweis auf die Identität der Insassen, scheinen die Autofahrer also zu irritieren. Und war es nicht wirklich so, dass das erste Zeichen von Fremdheit auf Reisen immer in dem Unvermögen bestand, die Codes auf den Nummernschildern zu dechiffrieren? Die Verlorenheit auf den Autofahrten durch die USA wurde noch einmal dadurch verstärkt, dass die Kennzeichen der entgegenkommenden Fahrzeuge nicht zuzuordnen waren. Außer dem Namen des Bundesstaats am oberen Rand enthielt das Gemisch aus Ziffern und Buchstaben keine Informationen. Wie anders dagegen die Vertrautheit mit dem deutschen Ordnungssystem, bis in solche Feinheiten hinein, dass ein einzelner Mittelbuchstabe hinter einem Großstadt-Kennzeichen anzeigt, dass der Wagen in einem Vorort zugelassen ist.

Durch die Lesegeräte der Polizei bilden Nummernschilder also nun ein umfassendes Archiv persönlicher Daten. Die kriminalistische Praxis übernimmt damit jenes Augenmerk auf Autokennzeichen, das im privaten Kontext schon lange Bestand hat.