Sie und ihr Partner sind beide Hochzeitsfotografen. Wie ist es, gemeinsam mit dem Partner zu arbeiten, vor allem, wenn es die ganze Zeit ums Heiraten geht?
Michele Aflatoon: Mauro und ich sind seit vier Jahren ein Paar und arbeiten fast genauso lange als »inlovewithawolf« zusammen. Klar birgt das ein bisschen Streitpotential. Mauro ist Süditaliener, ich bin in Deutschland geboren und da rumpelt es schon manchmal, Mauro ist um einiges emotionaler und dramatischer als ich. Meine Familie kommt aus dem Iran, aber das Persische ist – gerade, was den Beruf angeht – nicht so in mir durchgedrungen. Generell ist es als Hochzeitsfotografen-Paar gar nicht so einfach, Zeit miteinander zu verbringen, weil die Wochenenden ja für Hochzeiten reserviert sind und viel Vor- und Nachbereitung anfällt. Insgesamt aber wachsen wir an der Arbeit, auch als Paar.
Welche Hochzeit ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Das war eine Hochzeit in Thailand: Pukhet, Strand, Sonnenuntergang, Blumen im Haar, das ganze Programm. Das Paar kam aus Kanada. Er war Rocker und Sozialpädagoge, sie Poledancerin – eine verrückte, liebenswürdige Kombi. Sie waren so herzlich, als wäre man Teil der Familie! Die Hochzeitsgesellschaft hat sich für ein Gruppenfoto mit dem Rücken zum Meer aufgestellt, da kam das Paar noch schnell zu mir und meinte: »Sag bitte du, dass die Braut schwanger ist – und halte die Reaktionen fest!« Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt, nahm mich aber zusammen und überbrachte die frohe Botschaft. Dann haben wir abgedrückt. Alle hatten Tränen in den Augen und sind sich in die Arme gefallen. Vor allem die Eltern waren sehr gerührt. Für so etwas lohnt es sich, sich seinen Ängsten zu stellen.
»Er war Rocker und Sozialpädagoge, sie Poledancerin – eine verrückte, liebenswürdige Kombi«
Von welchen Ängsten sprechen Sie?
Wegen einer Angststörung habe ich mir früher mit dem Reisen schwer getan. Ich konnte zeitweise nicht mal kürzeste Strecken innerhalb der Stadt zurücklegen. Das hat angefangen, als ich 17 war. Als Fotografin war ich später selbständig und es kamen immer mehr Aufträge, die auch ins Ausland gingen. Dann war zu entscheiden: entweder absagen oder sich der Angst stellen.
Und Sie haben sich gestellt.
Ja. Für die Paare ist dieser Tag ungemein wichtig, es ist der Moment, in dem sie ihre Liebe feiern. Sie werden sich ein Leben lang daran erinnern, was an diesem Tag passiert ist und diese Erinnerung auch weitergeben. Sie legen so viel Hoffnung in meine Arbeit. Da will man wirklich niemanden enttäuschen. Deswegen war die lange Reise nach Thailand und auch mein ungeplanter Auftritt als Verkündigerin der Schwangerschaft im positiven Sinn eine so große Sache für mich.
Wie muss man sich eine Angststörung vorstellen?
Man bekommt extremes Herzrasen, oft Schwindel, Taubheitsgefühle in Arm und Zunge, und einem kann sehr übel werden. Es ist ein Albtraum, der sehr real ist, man denkt, man könnte sofort sterben. Es ist wahrscheinlich wie bei einem Infarkt. Viele Herzinfarkte, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind eigentlich Panikattacken. So ähnlich war es damals auch bei mir, ich wusste nicht, wie mir geschieht und war dann im Krankenhaus, wo Herzrhythmusstörungen festgestellt wurden. Dass es auch was mit der Psyche zu tun haben könnte, war zunächst nicht klar.
Wie kam das?
Zum einen sind Angsterkrankungen genetisch bedingt. Zum anderen hilft Stress natürlich auch nicht, vor allem nicht, wenn vieles zusammenkommt.
»Das Reisen kann man schwer mit seinem Therapeuten üben. Man kann sich darauf vorbereiten, aber das Wichtigste ist, es dann auch zu tun«
Wie haben Sie Ihre Angst in den Griff gekriegt?
Angsterkrankungen sind oft nicht zu 100 Prozent heilbar. Aber durch die ständige Übung und durch das ständige Sich-Stellen kann man sie gut in den Griff kriegen. Ich habe eine Therapie gemacht, die mir extrem geholfen hat. Dort habe ich verstanden, dass mit mir alles stimmt. Ich habe eben nur eine Krankheit mit gewissen Symptomen. Die größte Herausforderung ist, diese Erkenntnis in den Alltag einzubringen. Das Reisen kann man schwer mit seinem Therapeuten üben. Man kann sich darauf vorbereiten, aber das Wichtigste ist, es dann auch zu tun. Und das kann man nur selber machen.
Wie geht es Ihnen heute?
Reisen ist heute kein Problem mehr für mich.
Wie hat der Job Ihre Sicht auf die Liebe beeinflusst?
Ich habe etwas über Milde in Beziehungen und über Versöhnlichkeit mit Ex-Partnern gelernt. In den Hochzeitsreden geht es oft um die Macken des anderen und darum, dass der Partner in seiner Gesamtheit, mit allen Ecken, geliebt wird. Manchmal frage ich mich schon, auch beziehungsmäßig, kann ich das alles auf Dauer? Durch die vielen Hochzeiten sehe ich die Liebe ein bisschen realistischer und weiß jetzt, wie heilsam es sein kann, Schwächen zuzulassen – die eigenen und die des anderen. Ich finde es außerdem erstaunlich, wie oft Ex-Partner auf Hochzeiten eine Rolle spielen. Einmal hat der Bräutigam seine Ex-Partnerin, die auch anwesend war, in der Hochzeitsrede explizit erwähnt. Seiner Frau hat er gedankt, dass sie die Freundschaft zu seiner Ex-Partnerin durch ihre Gelassenheit ermöglicht. Sie müssen viel miteinander durchgemacht haben, das sie bis heute verbindet. Das fand ich schön.
Und haben Sie durch den Job einen neuen Blick auf die Ehe gewonnen?
Bevor ich in die Hochzeitsfotografie gegangen bin, habe ich die Ehe auf ein großes Podest gestellt. Ich dachte »Puh, da muss man erstmal hinkommen!« Aber was ich beim Fotografieren sehe, sind ganz normale Paare, die immer noch ihre Probleme, aber auch ihre gemeinsame Stärke haben. Und die Basis ist oft eine gute Freundschaft. Für mich hat das den Druck weggenommen, dass alles perfekt sein muss.
Wie würden Sie heiraten, wenn es mal soweit wäre?
Wenn wir heiraten, soll das im engsten Kreis stattfinden, vermutlich in Süditalien. Seit wir uns kennen, sprechen wir über Hochzeiten. Da ist unsere eigene auch kein Tabu.
Werden Sie einen Hochzeitsfotografen engagieren?
Auf jeden Fall, wir kennen genügend.