Für gewöhnlich gebe ich ja nur sehr ungern den Ball an den Fragesteller zurück. Aber hier geht es nicht anders: Wie Sie das halten, hängt – neben der moralischen Bewertung von außerehelichen Affären – vor allem von Ihrem Sportverständnis ab.
Entscheidend ist nämlich, wie weit Sie zwischen dem Sportler Tiger Woods und dem Menschen Eldrick »Tiger« Woods unterscheiden wollen. Darin spiegelt sich wider, wie Sie den Sport verstehen. Das kann sein: mehr mechanisch als Erbringung von körperlichen Leistungen losgelöst von der Persönlichkeit – im Sinne eines Leib-Seele-Dualismus auf dem Putting Green. Dann zeigt das Foto an Ihrer Pinnwand lediglich eine perfekte Golfballplatzierungsmaschine
als Vorbild für Ihren Traumschlag. Die könnte allenfalls durch Fehlverhalten innerhalb des Sports wie Doping oder Unfairness beeinträchtigt werden, keinesfalls aber durch private Verfehlungen des Akteurs. Begreifen Sie den Sport dagegen umfassend als lebensgestaltendes Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele, würde ein privates moralisches Handicap natürlich auf das Gesamtbild durchschlagen. Nach dem Motto: Wer im Leben foult, hat auch als Sportler verloren. Allerdings bleibt zu überlegen, wie realitätsnah es ist, an der Spitze eines milliardenschweren Sportzirkus Idealismus zu erwarten.
Meine Begeisterung für Menschen, die nur besonders geschickt darin sind, Spielaufgaben zu erledigen, hält sich ohnehin in überschaubaren Grenzen. Und ich vermag auch keine Verbindung zu erkennen zwischen dem virtuosen Umgang, sei es mit Bällen, Wörtern oder Gedanken, und einem bewundernswerten Charakter. Wenn ich jedoch bei jemandem, dessen Leistungen ich hoch schätze, von einem Verhalten erfahre, das ich persönlich wirklich missbillige, bleibt bei mir nur ein kühler Respekt vor der speziellen Leistung. Der bleibt, mehr aber auch nicht.
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Marc Herold (Illustration)